China zwischen Aufbruch und Kontinuität

Peking. Für Wahlversprechen war es eigentlich zu spät, als Chinas neuer Regierungschef Li Keqiang gestern in Pekings Großer Halle des Volkes vor die Weltpresse trat. Doch da das Protokoll bestimmt, dass sich Premierminister nicht vor, sondern nach ihrer Kür der Öffentlichkeit stellen, hatte der 57-Jährige erst zwei Tage nach seinem Amtsantritt Gelegenheit, seine Ziele zu erklären

Peking. Für Wahlversprechen war es eigentlich zu spät, als Chinas neuer Regierungschef Li Keqiang gestern in Pekings Großer Halle des Volkes vor die Weltpresse trat. Doch da das Protokoll bestimmt, dass sich Premierminister nicht vor, sondern nach ihrer Kür der Öffentlichkeit stellen, hatte der 57-Jährige erst zwei Tage nach seinem Amtsantritt Gelegenheit, seine Ziele zu erklären. Die Botschaft war eindeutig: Chinas neue Führung plant eine breite Reforminitiative. "Entscheidend ist, dass wir eine ökonomische Transformation schaffen", erklärte Li. "Wir müssen das Potenzial von Reformen und Binnenwachstum nutzen und Kreativität entfachen, um damit neues wirtschaftliches Wachstum zu generieren."

Während Chinas Staatsmedien die Aufbruchsstimmung rühmen, sind die internationalen Reaktionen vorsichtig abwartend. Denn Lis Ankündigungen decken sich überwiegend mit der Politik seines Vorgängers Wen Jiabao. Die scheidende Führung hat bei der Auswahl ihrer Nachfolger auf Kontinuität geachtet. Eigene Impulse werden die Neuen wohl erst setzen können, wenn sie die Eckpunkte für den nächsten, 2016 beginnenden Fünfjahresplan festlegen.

Obwohl Li zunächst für fünf Jahre gewählt ist, wird erwartet, dass er bis 2023 die Regierung führen wird. Zusammen mit Staats- und Parteichef Xi Jinping bildet er das sogenannte "Herz" der Fünften Führungsgeneration, die nach einem jahrelangen Machtkampf nunmehr die Geschäfte führt. Li ist die Nummer 2 in der Parteihierarchie. Der Bauernsohn studierte Jura und promovierte in Wirtschaftswissenschaften. Seine Karriere begann er in der Jugendorganisation der Kommunistischen Partei, wo er zum Vertrauten des ehemaligen Staats- und Parteichefs Hu Jintao wurde. Bei der Führung der Regierung stehen Li vier Stellvertreter zur Seite. Erster Vizepremier ist Zhang Gaoli, wie Li Mitglied im innersten Machtzirkel, dem Ständigen Ausschuss des Politbüros. Unter den drei weiteren Stellvertretern ist zum ersten Mal seit fünf Jahren auch wieder eine Frau: Liu Yandong wird für Kultur, Bildung, Gesundheit und Sport verantwortlich sein. Die beiden anderen Vizepremiers sind profilierte Wirtschaftslenker: Guangdongs Parteichef Wang Yang und der ehemalige Staatsplanungschef Ma Kai.

Annäherung an die Nachbarn?

Lis Kabinett besteht überwiegend aus bekannten Gesichtern. Ein positives Signal für die deutsch-chinesischen Beziehungen ist die Amtszeitverlängerung für Wissenschaftsminister Wan Gang. Der 60-jährige Ingenieur hat fünfzehn Jahre lang in Deutschland gelebt. Dass Wan das Ressort seit 2007 führt, gilt für Deutschlands Wirtschaft als Glücksfall, weil er für deutsche Anliegen sehr empfänglich ist.

Eine viel beachtete Änderung gibt es im Außenministerium: Neuer Chefdiplomat wird Wang Yi, ehemaliger Botschafter in Japan. Dies gilt als Signal, dass Peking sich um eine Verbesserung der Beziehungen mit den Nachbarn kümmern will. Peking und Tokio führen seit Sommer 2012 einen erbitterten Disput um eine Inselgruppe im ostchinesischen Meer. Auch mit Vietnam und den Philippinen gibt es Streit. bntFoto: Young/dpa

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