Ackermann: Missbrauch noch lange nicht aufgearbeitet

Trier · Das Thema Missbrauch wird die katholische Kirche nach Meinung des Trierer Bischofs und Sonderbeauftragten Stephan Ackermann noch lange beschäftigen. Opferverbände fordern mehr Transparenz bei der Aufarbeitung.

Vor fünf Jahren brachte der Jesuitenpater Klaus Mertes einen Skandal ins Rollen, der die katholische Kirche bis in ihre Grundfeste erschüttern sollte. In einem Brief machte der damalige Rektor des Berliner Canisius-Kollegs Fälle sexuellen Missbrauchs an seiner Schule öffentlich. Keine Einzelfälle, wie sich rasch herausstellte. Inzwischen ist von bundesweit über 1500 Opfern die Rede, die in den zurückliegenden Jahrzehnten von katholischen Priestern missbraucht worden sind. Allein im Bistum Trier meldeten sich bis Mitte vergangenen Jahres 110 Opfer. 66 Bistumspriester wurden wegen sexueller Übergriffe beschuldigt. Neue Zahlen teilte das Bistum gestern auf Anfrage nicht mit. Die aktuelle Herausforderung sieht der Trierer Bischof Stephan Ackermann , der seit fünf Jahren kirchlicher Missbrauchsbeauftragter ist, vor allem darin, in Einrichtungen der Kirche eine "Kultur der Achtsamkeit" zu etablieren, die sexuellen Missbrauch von Minderjährigen verhindert. Ackermann sagte, die Diskussion habe die katholische Kirche in Deutschland, aber auch weltweit verändert. Sexuelle Gewalt sei zum exemplarischen Thema für den Umgang mit Macht im Allgemeinen geworden. Rückblickend kritisierte er eine "erschreckende Unprofessionalität" im Umgang mit Missbrauchsfällen.

Gleichzeitig spricht er von einem Reinigungsprozess, der zu mehr Wahrheit und Klarheit geführt habe. Noch bleibe allerdings "viel zu tun, um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen", sagte Ackermann.

Der Sprecher der Opferinitiative Missbit, Thomas Schnitzler, sieht die Vorbehalte bestätigt. Die Missbrauchsvorwürfe hätten von einer unabhängigen Instanz und nicht von der Kirche oder den Bistümern selbst aufgeklärt werden müssen. Ähnlich äußert sich auch Hermann Schell von der Betroffenvertretung schafsbrief.de: Es fehle an Transparenz, und die Opfer müssten besser eingebunden werden. Ebenso wie Schnitzler ist auch Schell der Ansicht, dass der Trierer Bischof keinen schlechten Job mache, "aber von den Konservativen in der Bischofskonferenz ausgebremst" werde. Jeder Bischof sei schließlich darum bemüht, den Schaden fürs eigene Bistum in Grenzen zu halten. Die Opferinitiative schafsbrief.de geht davon aus, dass noch gegen 20 Trierer Bistumspriester wegen Missbrauchsvorwürfen kirchenrechtliche Verfahren laufen. Das Bistum äußerte sich dazu gestern auf Anfrage nicht.

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HintergrundNach Angaben der Bischofskonferenz haben bislang 1500 Missbrauchsopfer Anträge auf finanzielle Entschädigung gestellt. Die Zahl der von katholischen Priestern in den vergangenen Jahrzehnten missbrauchten Kinder und Jugendlichen dürfte aber deutlich darüber liegen, sagen Vertreter von Opferverbänden. Das Bistum Trier will aktuelle Zahlen erst nächste Woche bekanntgeben. Zuletzt war von 110 Opfern die Rede, die sich beim Bistum gemeldet hatten. 74 Opfer hatten bis Mitte 2014 einen Entschädigungsantrag gestellt. Insgesamt zahlte das Bistum an die Opfer 360 000 Euro. Die höchste Summe bekam eine im Kindergartenalter von einem Priester missbrauchte Frau: 18 000 Euro. Das Bistum betonte, dass die Entschädigungen nicht aus Kirchensteuermitteln bezahlt würden. sey

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