Solides Wirtschaftswachstum In Frankreich brummt der Job-Motor

Paris · Die Wirtschaft wächst, die Arbeitslosigkeit geht zurück. Dafür steigen aber auch die Staatsschulden im Nachbarland.

 Dank des starken Binnenmarktes wirken sich internationale Handelskonflikte in Frankreich nicht so stark aus wie in anderen Ländern.

Dank des starken Binnenmarktes wirken sich internationale Handelskonflikte in Frankreich nicht so stark aus wie in anderen Ländern.

Foto: dpa/Ian Langsdon

Das Wort Krise nimmt nach dem ungewöhnlichen Treffen niemand in den Mund. Man wolle in Sachen Coronavirus allerdings vorbereitet sein, hieß es nach der Zusammenkunft. In Paris hatten sich jüngst Frankreichs Minister für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit mit Vertreten der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände an einen Tisch gesetzt.

Natürlich wurde diskutiert, wie in diesen Wochen die Arbeitnehmer vor einer Ansteckung geschützt werden können. Vor allem stellte sich dem hochrangig besetzten Kreis aber die Frage, ob die drohende Coronavirus-Epidemie den Aufschwung der französischen Wirtschaft bedrohen könnte. Wirtschaftsminister Bruno Le Maire sprach von einem möglichen Minus von 0,1 Prozent beim Wachstum.

Das passt gar nicht in das Bild, das zuletzt von der französischen Wirtschaft gezeichnet wurde. In den vergangenen Monaten konnte Arbeitsministerin Muriel Pénicaud immer wieder neue Erfolge vermelden. Deutlichstes Zeichen des Booms: Die Arbeitslosigkeit sank auf zuletzt 8,1 Prozent und ist damit so niedrig wie seit über zehn Jahren nicht mehr.

Gern verschwiegen wird in Paris allerdings, dass bereits die Vorgänger von Präsident Emmanuel Macron sich an Reformen des Arbeitsmarktes gemacht haben. So hat François Hollande jene Unternehmen steuerlich entlastet, die Einstellungen vornehmen. Und auch Nicolas Sarkozy war bei der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes erfolgreich. Die aktuelle Regierung konnte also an einen bereits laufenden Prozess anknüpfen. So hat sie etwa die Kosten für die Firmen im Fall von Entlassungen gesenkt, was dazu führt, dass die Unternehmen schneller neue Mitarbeiter einstellen. Zudem darf nun auch in Arbeitsverträgen von den geltenden Regeln in einer Branche abgewichen werden. So kann die Gestaltung der Arbeitszeit individueller geregelt werden, die Höhe der Entlohnung oder auch die Möglichkeiten der Versetzung innerhalb eines Unternehmens.

Arbeitsministerin Muriel Pénicaud betont immer wieder, dass es auch gelungen sei, die Lehrberufe für junge Leute attraktiver zu machen. So wurden die Theorie- und Praxiseinheiten neu geregelt und die Möglichkeiten für duale Studien erweitert. Als Ergebnis ist die Zahl der Auszubildenden in Frankreich im Jahr 2019 auf fast eine halbe Million gestiegen. 2018 waren es noch knapp 440 000.

Die Erholung am Arbeitsmarkt wäre kaum möglich, würde die französische Wirtschaft insgesamt nicht gute Wachstumszahlen aufweisen. Nach Angaben des französischen Statistik-Institutes Insee waren es im Jahr 2019 1,3 Prozent. Deutschland verzeichnete im selben Zeitraum nur 0,6 Prozent.

Der Jubel in Paris darüber, den mächtigen Nachbarn überholt zu haben, ist allerdings verhalten, denn der Preis dafür ist ziemlich hoch. Im Gegensatz zum Exportland Deutschland, wird Frankreich weniger von aktuellen Handelsstreitigkeiten getroffen. Die Wirtschaft in Frankreich hängt viel stärker von der Binnennachfrage ab – und die wurde in den vergangenen Monaten von Präsident Macron durch ein rund 17 Milliarden Euro schweres Maßnahmenpaket angekurbelt. Als Reaktion auf die Proteste der Gelbwesten, wurden vor allem die ärmeren Bevölkerungsschichten steuerlich entlastet und es wurde eine Mindestrente von 1000 Euro eingeführt. Das stärkte die Kaufkraft und die wichtige Binnennachfrage.

Diese Entwicklung hat allerdings einen fatalen Nebeneffekt: Die Staatsverschuldung steigt und liegt inzwischen bei rund 100 Prozent des BIP. In diesem Fall stellt sich die Frage der Nachhaltigkeit. Denn ein wesentlicher Teil des Aufschwungs in Frankreich rührt daher, dass der Staat Geld ausgibt, das er im Grunde nicht hat.

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