Wirtschaftsexperte Rürup: "Ohne Rente mit 67 weniger Wachstum"

Herr Rürup, laut Bundesagentur für Arbeit hat sich die Zahl der Arbeitslosen im Alter zwischen 60 und 64 seit 2007 vervierfacht. Ist das kein überzeugendes Argument gegen die Rente mit 67?Rürup: Dieser Anstieg ist vor allem ein Resultat des Wegfalls der so genannten 58er-Regel im Jahre 2007 und der subventionierten Altersteilzeit im letzten Jahr

Herr Rürup, laut Bundesagentur für Arbeit hat sich die Zahl der Arbeitslosen im Alter zwischen 60 und 64 seit 2007 vervierfacht. Ist das kein überzeugendes Argument gegen die Rente mit 67?

Rürup: Dieser Anstieg ist vor allem ein Resultat des Wegfalls der so genannten 58er-Regel im Jahre 2007 und der subventionierten Altersteilzeit im letzten Jahr. In den letzten Jahren hatte kein Arbeitsmarktsegment eine so hohe positive Dynamik wie das der älteren Arbeitnehmer.

Die Kritiker wird das kaum überzeugen.

Rürup: Die Rente mit 67 soll erst ab 2029 voll wirksam werden und nicht schon 2012. Deshalb ist es wenig seriös, aus einer aktuellen Blitzlichtaufnahme des Arbeitsmarktes ein negatives Szenarium für die zukünftige Entwicklung abzuleiten. Dies umso weniger, als aus demografischen Gründen in den nächsten Jahrzehnten jährlich etwa 100 000 bis 150 000 ältere Arbeitnehmer mehr aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden als jüngere nachrücken. Dies wird auf jeden Fall die Beschäftigungschancen der Älteren verbessern.

Die SPD verlangt, dass die Rente mit 67 so lange ausgesetzt wird, bis die Hälfte der 60- bis 64-Jährigen sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist. Wäre das ein gangbarer Weg?

Rürup: Derzeit liegt diese Quote bei etwa 25 Prozent. Die von der SPD als Einführungskriterium geforderten 50 Prozent bedeuten letztlich eine Absage an dieses Projekt. Denn es ist zweifelhaft, ob diese Quote in absehbarer Zeit überhaupt erreicht werden kann. Diese 50 Prozent blenden nämlich aus, dass nicht wenige Arbeitnehmer freiwillig unter Inkaufnahme von Abschlägen vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden, viele ältere Versicherte aus gesundheitlichen Gründen in die Erwerbsminderungsrente gehen, eine Reihe von Versicherten - beispielsweise Arbeitnehmer mit Behinderungen - ohne Abschläge vorzeitig in Rente gehen können und dass sozialversicherungspflichtige ältere Beamte oder Selbstständige in dieser Quote nicht berücksichtigt werden.

Was würde passieren, wenn die Rente mit 67 später als 2012 auf den Weg käme?

Rürup: Der Einführungszeitraum 2012 bis 2029 wurde so gewählt, dass davon auch die geburtenstarken Jahrgänge, die wir bis 1968 hatten, betroffen werden. Im Falle einer deutlichen Verschiebung würde diese Maßnahme viel von ihrer langfristigen Stabilisierungswirkung verlieren, die deutlich mehr als die bis zum Jahre 2030 ersparten 0,5 Beitragspunkte in der Rentenversicherung ausmacht. Mindestens genauso wichtig: Die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter sinkt in den nächsten Jahrzehnten deutlich schneller als die der Gesamtbevölkerung. Ein Verzicht auf die mit der Rente mit 67 verbundene längere Lebensarbeitszeit hätte jährliche Wachstumsverluste von bis zu 0,3 Prozent zur Folge.

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