Intelligenter Überflieger mit Sinn für Humor

Abu Dhabi. Jetzt hat er das, was für ihn zählt. Seit gestern ist Sebastian Vettel der 32. Formel-1-Weltmeister, dazu mit 23 Jahren und 134 Tagen auch noch der jüngste. Eingefahren hat der Hesse aus Heppenheim den Titel im 19. und letzten Saisonrennen auf der Halbinsel Yas Marina im Wüsten-Emirat Abu Dhabi. "Was zählt, ist der WM-Titel. Der würde mir richtig viel bedeuten

Abu Dhabi. Jetzt hat er das, was für ihn zählt. Seit gestern ist Sebastian Vettel der 32. Formel-1-Weltmeister, dazu mit 23 Jahren und 134 Tagen auch noch der jüngste. Eingefahren hat der Hesse aus Heppenheim den Titel im 19. und letzten Saisonrennen auf der Halbinsel Yas Marina im Wüsten-Emirat Abu Dhabi. "Was zählt, ist der WM-Titel. Der würde mir richtig viel bedeuten. Wenn ich dabei auch noch der Jüngste wäre - fein, aber eigentlich ist es das Letzte, was mich kümmert. Das Geheimnis ist, mich nicht verrückt zu machen." Mit dieser Einstellung startete der Pilot aus dem österreichisch-englischen Red-Bull-Rennstall in den Endspurt.

Seit Saisonbeginn sitzt Vettel im schnellsten Formel-1-Auto, aber eine Pleitenserie schien kein Ende zu nehmen. Doch Rückschläge, Niederlagen, streikende Autos, eigene Fehler, Pech, Spannungen und teaminterne Querelen haben den Heißsporn reifen lassen. Den aufstrebenden Deutschen konnte nichts und niemand von seinem Weg abbringen. "Der Weg ist für mich das Ziel", so Sebastian Vettel. "Ich gehe nicht so weit, dass mir das Rennfahren nur Spaß macht, wenn ich gewinne. Aber wenn ich um Platz 15 kämpfe, dann ist der Spaßfaktor schon beeinträchtigt. Da macht ein Sieg, wenn er auch scheinbar einfach und ohne Gegner aussieht, mehr Laune", so der Bullen-Pilot.

Seinen Humor hat sich der Weltmeister auch in schwierigen Zeiten bewahrt. Er kokettierte nach einem Erfolg bei einer Pressekonferenz damit, vom Siegeschampagner beduselt zu sein. Der Mann mit dem Lausbubengesicht lacht gerne, ist unterhaltsam, lustig. Und gibt seinen Autos, die er im Stile eines Rappers wie eine Freundin behandelt, lustige Namen wie "Kate", "Kate's dirty sister" oder dem Red-Bull-Boliden, den er auf den Namen "Luscious Liz" ("Leckere Liz") taufte. "Humor und Witze finde ich schon super", gesteht Vettel und empfiehlt: "Man lebt nur einmal, drum ist es wichtig zu lachen, wann immer man kann." Seinen jungenhaften Charme versprüht der Sunnyboy ebenso humorvoll. "Ich bin der Sebastian, okay?", entgegnete er am Wochenende einem Reporter, der Vettel mit Nachnamen ansprach, um ihm etwas zu entlocken. Locker schlendert er durchs Fahrerlager, mit kurzer Hose, knallroten Pumas und Engelsfrisur, umgeben von einer Aura entspannten Selbstbewusstseins.

Das Bild der Gladiatoren in ihrem Helm und feuerfesten Overall will nicht so recht zu den Jungspunden passen, die sie im zivilen Leben sind. Dieser Gegensatz ist besonders auffällig beim neuen Weltmeister. Noch immer kann man ihn sich leichter als kleinen Bruder vorstellen, den man vom Bahnhof abholt, denn als Mega-Star, der auf den Flughäfen der Welt wie ein Popstar empfangen wird.

Vettels Karriere in der Formel 1 verlief ebenso kurz wie eindrucksvoll: erstes Rennen 2007 mit 19 Jahren und 349 Tagen in Indianapolis, USA, als jüngster Fahrer gleich den ersten WM-Punkt ergattert. In seiner ersten kompletten Saison 2008 folgte in Monza der erste Sieg im Toro Rosso. Dann Wechsel zu Red Bull Racing, um dort 2009 in Shanghai den ersten Sieg in der Teamgeschichte zu sichern und bis zum vorletzten Rennen um die WM-Krone zu kämpfen.

Sebastian Vettel ist ein ganz spezielles Talent. Im fahlen Neonlicht der Formel 1 ist er eine Discokugel, die von innen leuchtet. Vettel ist mit seinem Killerinstinkt auf der Strecke ebenso hart, wie er abseits locker ist. Der 23-Jährige mit der Abiturnote 2,8 ist vor allem intelligent. Diese Eigenschaft bestätigt sein Renningenieur Guillaume Rocquelin. Der Franzose lobt seinen Schützling über den grünen Klee: "Die besondere Stärke liegt in seinen geistigen Kapazitäten. Sebastian kann während der Fahrt wichtige Details speichern und verstehen. Viele Piloten sind mit der Masse der auf sie einströmenden Informationen schlichtweg überfordert. Sebastian dagegen kann alles getrennt voneinander analysieren", lobte Vettels Ingenieur. "Vom Sieger zum Champion sind es nur kleine Schritte, aber eben ganz wichtige. Als WM-Anwärter musst du immer im Hinterkopf haben, dass du in dumme Unfälle oder Zuverlässigkeitsprobleme verwickelt werden kannst. Wenn du also auf dem fünften Platz festhängst, solltest du den nach Hause fahren. Das hat Sebastian kapiert."

Mit dem Druck, der zuletzt auf Vettel lastete, ging der Jungstar gelassen um. "Mir ist nicht so wichtig, was viele Leute von mir erwarten. Die Erwartungshaltung kommt von innen", meint Vettel. Vielleicht fehlt dem neuen Weltmeister noch der letzte Schuss Kaltschnäuzigkeit, den Vettels Vorbild und Freund Michael Schumacher zweifellos hatte. Vettel lebt in einer Wattebausch-Wohlfühl-Atmosphäre bei Red Bull. Dort genießt er eine Ausnahmestellung. Auf ausdrücklichen Wunsch Vettels reduzierte der für gewöhnlich ausgiebig PR-treibende Dosenrennstall die Auftritte. "Sebastian kann sich nach seinem eigenen Gutdünken auf die Rennen vorbereiten. Er ist dann zwei Tage für niemanden erreichbar", so Red-Bull-Berater Helmut Marko.

Die schützende Hand über Sebastian hält auch Vater Norbert, ein Zimmermann, der den Sohnemann oft zu den Rennen begleitet. Der "zimmert" auch als Weltmeister seine Verträge als sein eigener Manager. "Man lebt nur einmal, drum ist es wichtig zu lachen, wann immer man kann."

Sebastian Vettel

AUF einen Blick

Michael Schumacher (Rekordweltmeister): "Er hat ein fantastisches Jahr hinter sich. Es waren sicher einige Rückschläge dabei, die nicht auf seine Kappe gingen. Die zweite Hälfte war grandios. Man darf ihm gratulieren."

Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Im letzten Rennen noch nervenstark das Blatt zu wenden - das zeigt die Klasse eines wahren Champions."

Joachim Löw (Fußball-Bundestrainer): "Das ist ein großartiger Erfolg für Sebastian Vettel. Er ist umso bedeutungsvoller, da er sich in einem spannenden Finish den WM-Titel sicherte. (. . .) Mit Talent, Selbstbewusstsein und Disziplin hat er in jungen Jahren Sportgeschichte in der Formel 1 geschrieben." dpa

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