Weiterer Streit über Wege im Anti-Terror-Kampf

Berlin/Wiesbaden · Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hat einen Kompromissvorschlag zur umstrittenen Vorratsdatenspeicherung gemacht. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hält deren Wiedereinführung für Aktionismus.

Die Auseinandersetzung um die Vorratsdatenspeicherung und weitere Instrumente im Anti-Terror-Kampf geht in der großen Koalition weiter. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU ) plädierte am Wochenende dafür, das Vorhaben einzudampfen: "Wir brauchen keine Vorratsdatenspeicherung für alle, sondern Vorratsdatenspeicherung für Menschen, die bereits ins Visier der Sicherheitsbehörden geraten sind - etwa durch auffällige Reisebewegungen, auffällige Kontakte oder Hinweise auf eine Radikalisierung." Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende warb im Deutschlandfunk dafür, zur Abwehr von Terrorismus die "Sicherheitsorgane in den entsprechenden Stand" zu versetzen. Dafür sei eine systematische Speicherung von Telefon- und Internetdaten notwendig. Die Debatte über Vorratsdatenspeicherung ist nach den Anschlägen von Paris neu entbrannt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU ) hatte sich am Donnerstag im Bundestag für eine Rückkehr zur Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen.

CDU-Generalsekretär Peter Tauber stellt sieht noch an einer ganz anderen Stelle Handlungsbedarf: "Eine entscheidende Forderung von uns ist, dass wir Sympathiewerbung für terroristische Vereinigungen endlich wieder unter Strafe stellen." Es sei ein Riesenfehler der rot-grünen Bundesregierung gewesen, diesen Straftatbestand abzuschaffen.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD ) hatte in der "Bild am Sonntag" weitere Verschärfungen im Strafrecht über das von ihm bereits geplante Maß hinaus abgelehnt. "Purer Aktionismus stoppt keine Terroristen", sagte er. Maas verwies darauf, dass die deutsche Justiz zurzeit gegen etwa 350 Beschuldigte im Zusammenhang mit der Terrormiliz Islamischer Staat vorgehe. Dies zeige, dass das Terrorismusstrafrecht wirke. Die hessische Justizministerin, Eva Kühne-Hörmann (CDU ), reagierte mit scharfer Kritik auf die Äußerungen von Maas und warf ihm in "Handelsblatt Online" "Terrorbekämpfung im Schneckentempo" vor. "Ich bin es leid, dass Herr Maas jeden Vorschlag, den er nicht selbst unterbreitet hat, als Aktionismus abkanzelt", sagte Kühne-Hörmann. Sie habe schon im Juni letzten Jahres vorgeschlagen, die Ausreise zum Dschihad unter Strafe zu stellen. Maas habe sich aber erst nach einer entsprechenden Uno-Resolution und Beschlüssen der Justizministerkonferenz dazu bewegen lassen.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet nach einem Medienbericht seit dem vergangenen Jahr bundesweit rund 100 Islamisten-Gruppen. Dies berichtet die "Welt am Sonntag " unter Berufung auf Sicherheitskreise. Es handele sich dabei um Gruppen und Netzwerke von jeweils zehn bis 80 Personen. Das Spektrum reiche von Gebetsgruppen über Online-Propagandisten bis hin zu Spendensammlern und heimgekehrten Syrien-Kämpfern. Konkrete Anschlagspläne seien bislang nicht bekannt geworden.

In der saarländischen Koalition rumort es wegen des Plädoyers der Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU ) für die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung . Die sei ein "wichtiges Instrument zur Wahrung der inneren Sicherheit", sagte Kramp-Karrenbauer der "Welt am Sonntag ". "Union und SPD sollten jetzt darüber diskutieren, unter welchen Voraussetzungen" die Speicherung "möglich ist". Dabei solle man nicht warten, bis die EU eine neue Richtlinie beschließt.

Vize-Ministerpräsidentin und Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD ) warf Kramp-Karrenbauer vor, dass die Äußerungen nicht mit dem Koalitionspartner abgestimmt seien. "Sie stellen nicht die Meinung der Landesregierung dar." Rehlinger hielt Kramp-Karrenbauer entgegen: "Hysterie und Aktionismus machen unser Land nicht sicherer." Mit der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung "beschneiden wir die Freiheit aller Bürger". Rehlinger warnte auch vor einem nationalen Alleingang zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung . Sie dürfte "ohne neue EU-Richtlinie nicht umsetzbar sein".

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