Weiter Wirbel um Plätze bei NSU-Prozess

Berlin/München. Im Streit über die Vergabe von Presseplätzen beim NSU-Prozess hat sich jetzt auch die Regierung eingeschaltet und vom Gericht bessere Arbeitsmöglichkeiten für türkische Journalisten gefordert. "In diesem Fall schaut die ganz Welt auf Deutschland", sagte die Berliner Integrationsbeauftragte Maria Böhmer (CDU)

 Die Integrationsbeauftragte Böhmer rief das Gericht auf, seine Platzvergabe beim NSU-Prozess zu überdenken. Foto: dpa

Die Integrationsbeauftragte Böhmer rief das Gericht auf, seine Platzvergabe beim NSU-Prozess zu überdenken. Foto: dpa

Berlin/München. Im Streit über die Vergabe von Presseplätzen beim NSU-Prozess hat sich jetzt auch die Regierung eingeschaltet und vom Gericht bessere Arbeitsmöglichkeiten für türkische Journalisten gefordert. "In diesem Fall schaut die ganz Welt auf Deutschland", sagte die Berliner Integrationsbeauftragte Maria Böhmer (CDU). Sie rief die Verantwortlichen auf, ihre Entscheidung zu überdenken.

Für das Verfahren, das am 17. April vor dem Oberlandesgericht (OLG) München beginnt, soll kein türkisches Medium einen der 50 reservierten Plätze für Journalisten im Gerichtssaal bekommen. Weil acht der zehn NSU-Mordopfer türkischer Abstammung waren, ist das Interesse aber auf türkischer Seite sehr groß. Das OLG vergab die Akkreditierungen nach eigener Darstellung nach Eingang der Anträge - demnach waren andere Medien schneller als die türkischen. Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte, Berlin habe Verständnis dafür, dass das Interesse der türkischen Medien am Verfahren groß sei. "Die Hoffnung muss sein, dass mit diesem Medieninteresse auch sensibel umgegangen wird." Seibert wie auch die Vertreter verschiedener Ministerien verwiesen auf die Unabhängigkeit der Justiz. Diese sei ein hohes Gut.

"Natürlich hat das Gericht nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz gehandelt und formal alles richtig gemacht", sagte die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders. Dennoch ging es "nicht um Prinzipienreiterei, sondern darum, Berichterstattung in den Herkunftsländern der Opfer zu ermöglichen. Und nach einer solchen Lösung gilt es jetzt zu suchen."

Ein Außenamtssprecher sagte: "Es wäre schön, wenn bei einer Angelegenheit, die völlig offensichtlich auch die türkische Öffentlichkeit und die Menschen türkischer Abstammung in Deutschland und in der Türkei interessiert, die Möglichkeit bestünde, dass Vertreter der Medien darüber angemessen berichten können." Wie das geschehen könne, ließ er offen. Schärfer äußerte sich der Bund türkischer Journalisten in Europa. Das OLG solle sein "skandalöses Vergabeverfahren" überdenken und nach akzeptablen Lösungen suchen. "Nachdem die zuständigen Sicherheitsbehörden bei der Aufklärung der Morde an Türken und einem Griechen vollkommen versagt haben, geht der Skandal mit der irritierenden Platzvergabe des Oberlandesgerichts München an die Presse weiter."

Einige deutsche Medien wie die "Bild"-Zeitung, das "Neue Deutschland" und Radio Arabella boten an, ihren Platz türkischen Kollegen zur Verfügung zu stellen oder zu teilen. Doch das ist laut Gericht nicht möglich. "Ich habe so das Gefühl, da wird sehr stark nach den Paragrafen geschaut, was ja auch richtig ist bei einem Gericht, aber Herz und Empathie sind ja nicht illegal", sagte Grünen-Chef Cem Özdemir dazu. Der Chefkorrespondent der "Hürriyet", Ahmet Külahci, sagte, von deutschen Kollegen habe er "mehr Solidarität bekommen, als von den deutschen Justizbehörden". Der Prozess gehört zu den wichtigsten Verfahren in der Geschichte der Bundesrepublik. Angeklagt sind die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer des "Nationalsozialistischen Untergrunds". dpa

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