Türken rügen Verschiebung des NSU-Prozesses

München/Saarbrücken · Der Prozess um die zehn NSU-Morde wird überraschend um knapp drei Wochen verschoben. Damit reagierte das Gericht auf die Probleme bei der Vergabe von Plätzen für ausländische Medien.

Nach dem erbitterten Streit über die Beteiligung von Medien und Öffentlichkeit hat das Oberlandesgericht (OLG) München den Start des NSU-Prozesses kurzfristig um knapp drei Wochen verschoben und dafür teilweise harte Kritik geerntet. Statt am morgigen Mittwoch beginnt das Verfahren gegen die mutmaßliche Terroristin Beate Zschäpe und vier mögliche Helfer um die zehn Morde der rechtsextremen NSU erst am 6. Mai. Die Journalistenplätze im Gerichtssaal müssten nach dem Verfassungsgerichtsbeschluss von Freitag neu vergeben werden, teilte das Gericht gestern überraschend mit. "Dies ist bis zum geplanten Hauptverhandlungsbeginn am 17. April 2013 zeitlich und organisatorisch nicht mehr möglich", heißt es in dem OLG-Beschluss.

Die Entscheidung des Gerichts unter Vorsitz des Richters Manfred Götzl stieß auf geteilte Reaktionen. Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, äußerte im SZ-Interview zwar Verständnis dafür, dass die Richter ein angreifbares Urteil vermeiden wollen. "Aber an die Folgen denkt offenbar niemand. Das Gericht verschiebt, ohne über die Komplikationen nachzudenken." Das OLG habe "das Ausmaß des Prozesses nicht verinnerlicht". Sein "skandalöses Verhalten von Anfang an" habe jetzt zu dieser "peinlichen Verschiebung" geführt. "Das ist absolut kein guter Start." Die Ombudsfrau der Bundesregierung für die NSU-Opfer und deren Angehörige, Barbara John, sprach von einer "mittleren Katastrophe". Viele Angehörige hätten sich emotional auf den Prozessbeginn eingestellt, Fahrkarten gekauft und teils Urlaub genommen. Viele Nebenkläger könnten nun am neuen Termin nicht mehr teilnehmen. Auch Opfer-Anwälte kritisierten die OLG-Entscheidung.

Das Verfassungsgericht hatte auf Antrag der türkischen Zeitung "Sabah" angeordnet, dass im Gerichtssaal Plätze für Journalisten türkischer und griechischer Medien reserviert werden müssen, da diese bei der Vergabe der bisher 50 Plätze leer ausgegangen waren. Acht von zehn NSU-Opfern stammten aus der Türkei, eines war Grieche. Laut Verfassungsgericht hätte es aber genügt, ein Zusatzkontingent von drei Presseplätzen zu schaffen. > , : Meinung

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