Versöhnliche Töne nach Scheitern von "Pro Reli"

Berlin. Nach dem gescheiterten Berliner Volksentscheid für Religion als Pflichtfach fordern die Kirchen eine bessere Kooperation von Ethik- und Religionsunterricht. Erst dann sei "der Slogan ,Ethik und Religion - wir machen beides' eingelöst", erklärte gestern der evangelische Landesbischof Wolfgang Huber

Berlin. Nach dem gescheiterten Berliner Volksentscheid für Religion als Pflichtfach fordern die Kirchen eine bessere Kooperation von Ethik- und Religionsunterricht. Erst dann sei "der Slogan ,Ethik und Religion - wir machen beides' eingelöst", erklärte gestern der evangelische Landesbischof Wolfgang Huber. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) kritisierte zwar eine starke "Polarisierung" beim Volksentscheid vor allem durch die evangelische Kirche, signalisierte aber Gesprächsbereitschaft.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die für ein Ja geworben hatte, bedauerte den Ausgang des Volksentscheids. Das Ergebnis sei aus ihrer Sicht zu respektieren, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Die Bundes-CDU gewann dem Ergebnis sogar einen positiven Aspekt ab: Ein beachtlicher Teil der Berliner sei für die Einführung von Religion als Wahlpflichtfach, sagte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla.

Die Initiatoren des Volksentscheids für eine Aufwertung des Religionsunterrichts, die Initiative "Pro Reli", war am Sonntag doppelt gescheitert: Sie verfehlte mit 14,1 Prozent nicht nur die nötige Zustimmung von 25 Prozent aller Wahlberechtigten, sondern erhielt auch von den Teilnehmern der Abstimmung mit 51,3 Prozent mehr Nein- als Ja-Stimmen. Die Beteiligung lag bei nur 29 Prozent. Dabei bleibt es in Berlin beim glaubensunabhängigen Pflichtfach Ethik und Religionsunterricht als zusätzlichem freiwilligen Fach.

Bischof Huber wies auf die großen Abstimmungsunterschiede zwischen östlichen und westlichen Bezirken hin und sagte, die Stadt sei "immer noch geteilt". Er verlangte: "Jetzt müssen die Möglichkeiten des Austausches und des Zusammenwirkens weiter entwickelt werden." Der Vorsitzende der Initiative "Pro Reli", Christoph Lehmann, sagte: "Wer jetzt nicht bereit ist aufeinander zuzugehen, versöhnt die Stadt nicht, sondern spaltet sie. Jetzt ist der Senat am Zug." dpa

Meinung

Lehrstück Volksentscheid

Von SZ-Korrespondent

Werner Kolhoff

Volksentscheide beleben die politische Kultur und stärken das Demokratiebewusstsein. Deshalb sollten sie auch auf Bundesebene endlich zugelassen werden. Selbst wenn sie mangels Masse gar nicht erst zustande kommen, selbst wenn die Initiatoren wie in Berlin unterliegen: Schon die Möglichkeit erzeugt enormen Druck auf die Parteien, bürgernäher zu handeln und den Dialog, auch mit Minderheiten, sensibler zu führen.

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