Vollbremsung vor der Vollkatastrophe

München/Saarbrücken. Wie unerträglich die Bayern-Chefs am Ende das alles mit Klinsmann fanden, zeigt am ehesten die Wahl seines Nachfolgers. Der bald 64-jährige Josef Heynckes wollte am Wochenende eigentlich nur ein paar schöne Stunden bei seinem guten Freund Uli Hoeneß in dessen Domizil am Tegernsee verbringen

 Hmmmh, war irgendwie nichts mit den Bayern: Jürgen Klinsmann, ratlos. Foto: dpa

Hmmmh, war irgendwie nichts mit den Bayern: Jürgen Klinsmann, ratlos. Foto: dpa

München/Saarbrücken. Wie unerträglich die Bayern-Chefs am Ende das alles mit Klinsmann fanden, zeigt am ehesten die Wahl seines Nachfolgers. Der bald 64-jährige Josef Heynckes wollte am Wochenende eigentlich nur ein paar schöne Stunden bei seinem guten Freund Uli Hoeneß in dessen Domizil am Tegernsee verbringen. Ein bisschen über alte Zeiten plaudern, am Samstagmittag in München ein bisschen Fußball gucken, abends was Leckeres essen, einen schönen Wein dazu, auf Wiedersehen. Bis bald Uli, mach's gut.

Mach's besser, Jupp. Bitte mach es besser als dieser Klinsmann! Diesen Herzenswunsch hat Hoeneß am Sonntag zur allgemeinen Überraschung an Heynckes gerichtet. Vom Altenteil aus soll er den Bayern-Retter geben. Ausgerechnet "Don Jupp", der Anti-Klinsmann. Wahrscheinlich hatten die anderen noch lebenden Ex-Erfolgstrainer Udo Lattek (74) und Pal Csernai (76) abgesagt.

Von Heynckes abgelöst zu werden - vermutlich ist es das, was Klinsmann am meisten wehtut am Ende seiner "Mission impossible". Wie grandios der grinsende Schwabe gescheitert ist, lassen die Reaktionen von treuen Bayern-Fans erahnen, die gestern nicht viel mehr übrig hatten als ein "endlich - schlimmer kann's auch mit Don Jupp nicht werden".

Stolz mit Füßen getreten

Das dürfte stimmen. In den wenigen Monaten der Ära Klinsmann, der in dieser Saison in der Bundesliga null Mal Tabellenführer war, hat sich der FC Bayern so oft blamiert wie noch nie in der langen, überragend erfolgreichen Historie des Clubs. Was im Jahr 2008 mit einer 2:5-Heimpleite gegen Bremen und haarsträubenden Unentschieden gegen Gladbach (2:2) oder Bochum (3:3) noch relativ harmlos begann, wuchs sich im März/April zur Katastrophe aus. Dem 2:4 im DFB-Pokal in Leverkusen folgte in der Liga die 1:5-Klatsche gegen Wolfsburg und in der Champions League schließlich das vom Boulevard noch gnädig als "Nacht der Schande" überschriebene 0:4-Debakel beim FC Barcelona.

Vom "Fürchterlichsten, was ich je vom FC Bayern gesehen habe", sprach Präsident Franz Beckenbauer an diesem Abend im April. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge sah den "Stolz" des Vereins "mit Füßen getreten" und berichtete beim Bankett, wie er in der Halbzeitpause einem weinenden Lattek begegnet war.

Ganz sicher hat sich in diesen Stunden von Barcelona bei den Bayern-Bossen die Überzeugung manifestiert, dass das alles ein ganz großer Schmarrn war mit Klinsmann und seinem schlauen Konzept-Gerede. Einen "Querdenker" wollten sie haben, "einen, der neue Wege geht" - so hieß es bei der Vorstellung des vermeintlichen Heilsbringers im Januar 2008. Alle waren glücklich, "klug und durchdacht" nannte der Kaiser die Entscheidung. Selbst die Kanzlerin ließ ihre Freude darüber verkünden, dass Klinsmann kommt und "seine große Kunst zur Geltung bringt".

Spätestens seit gestern aber steht fest, dass Verein und Trainer völlig unterschiedliche Vorstellungen davon haben, was es bedeutet, neue Wege zu gehen. Hoeneß und Rummenigge wollten eine Revolution - aber bitteschön eine, die nicht wehtut; bei der man immer noch locker Meister und Pokalsieger wird. Sie wollten einen großen Schnitt - ohne dass Blut fließt. Sie wollten auf Augenhöhe kommen mit Manchester und Barcelona - und zwar schnell, sofort.

Klinsmann hat ihnen offensichtlich weisgemacht, dass er das packen kann. So wie er geschafft hatte, aus einem zerstrittenen Haufen einen Fast-Weltmeister zu formen. Offenbar haben die Bayern zwischendurch ernsthaft daran geglaubt, dass Erfolg auf allerhöchstem Niveau detailliert planbar ist, mit einem Dutzend Trainern und ein paar Laptops am Spielfeldrand. Aber so einfach ist Fußball nicht. Vor allem aber hat Klinsmann unterschätzt: Damit sein Projekt langfristig funktionieren kann, braucht er kurzfristige Erfolge. Mehr denn je beim FC Bayern.

Dort soll es jetzt also die ganz, ganz alte Schule richten: Jupp Heynckes. Es ist eine Vollbremsung, um die Vollkatastrophe (Platz vier) zu verhindern. Schafft Heynckes den Titel noch, ist er der Held. Ansonsten lässt die Ära Klinsmann nur Verlierer zurück.

"Es war extrem schwierig, alles hatte sich fokussiert auf ihn. Jürgen hatte trotz Kritik Spaß an der Arbeit. Er ist gradlinig geblieben."

Bundestrainer

Joachim Löw

"Wir müssen keine Angst mehr haben, vor keiner Mannschaft der Welt."

Klinsmann Mitte Dezember

"Wir werden ein Energiefeld aufbauen, das den Spielern viel Spaß machen wird."

Klinsmann bei seiner spektakulären Präsentation im Januar 2008

"Jürgen wollte Rom

in zwei Monaten erbauen. Das ging nicht."

Bayern-Manager Uli Hoeneß im Winter-Trainingslager in Dubai

im Rückblick auf die Anlaufschwierigkeiten

"Man hätte Jürgen Klinsmann mehr Zeit geben müssen. Man muss bedenken, dass er die Mannschaft nicht zusammengestellt, sondern nur übernommen hat. (. . .) Ich halte ihn nach wie vor für einen guten Trainer,

der begeistern kann."

Dietmar Hopp,

Mäzen von 1899 Hoffenheim

"Ich bin ein Kämpfer

und mache das Ding weiter. Die Chemie stimmt intern."

Jürgen Klinsmann am Samstag nach der Heimpleite gegen Schalke 04

Meinung

Ungeduld verliert

Von SZ-Redakteur

Mark Weishaupt

Die Mechanismen im Fußball sind immer gleich. Wenn es nicht läuft, muss der Trainer gehen. Das hat nun auch Jürgen Klinsmann erfahren müssen, der angetreten war, den FC Bayern und dessen Spiel-Philosophie zu reformieren. Allein: Die Verantwortlichen um Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge haben ihn nicht gelassen, obwohl sie Klinsmann vor der Saison mit allen Kompetenzen ausstatteten.

Wer sich für Klinsmann als Trainer entscheidet, der muss damit rechnen, dass dessen Reformen Zeit brauchen, um zu greifen. Dass Hoeneß und Co. Klinsmann diese Zeit nicht gegeben haben, macht klar: Das schwächste Glied in der Bayern-Kette dieser Saison ist nicht der Trainer gewesen.

 Hmmmh, war irgendwie nichts mit den Bayern: Jürgen Klinsmann, ratlos. Foto: dpa

Hmmmh, war irgendwie nichts mit den Bayern: Jürgen Klinsmann, ratlos. Foto: dpa

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