Türkei wütend über Gauck

Istanbul · Die Aussagen von Bundespräsident Joachim Gauck zum „Völkermord“ an den Armeniern haben einen Streit mit der Türkei ausgelöst. In Richtung Armenien gab sich Erdogan dagegen versöhnlich.

Die türkische Regierung hat die Aussagen von Bundespräsident Gauck in ungewöhnlich scharfer Form kritisiert: "Das türkische Volk wird dem deutschen Präsidenten Gauck seine Aussagen nicht vergessen und nicht verzeihen", teilte das Außenministerium in Ankara am späten Freitagabend mit. Und auch die Medien waren empört: Einen "Skandal" habe sich Joachim Gauck da geleistet, schimpfte die türkischen Zeitung "Milliyet" nach der Rede des Bundespräsidenten zum Völkermord an den Armeniern.

Auch andere Medien kritisierten Gauck sowie den Bundestag, der ebenfalls von Genozid sprach, der sich ab dem 24. April 1915 im Osmanischen Reich zutrug.

Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte bereits tags zuvor den Europäern vorgeworfen, mit der Anprangerung eines Völkermordes an den Armeniern "Heuchelei" zu betreiben. Kein Land, das den Genozid an den Armeniern anerkenne, habe ein so "sauberes" historisches Zeugnis wie die Türkei.

Und so hatte das Staatsoberhaupt auch für den gestrigen Armenien-Gedenktag ein anderes Programm organisiert - ein internationales Treffen zur Erinnerung an die Schlacht von Gallipoli im Ersten Weltkrieg. Diese hatte über 100 000 Soldaten das Leben gekostet und endete mit einer Niederlage der Entente-Mächte, die mit dem Angriff die Meerenge der Dardanellen westlich von Istanbul erobern wollten. Die türkische Führung wollte mit dem Treffen die Aufmerksamkeit im Land vom Armenier-Gedenktag und dem Genozid-Gedenken in der armenischen Hauptstadt Eriwan ablenken.

Doch auch in der Türkei gab es gestern Gesten der Versöhnung. So war der Istanbuler Stadtteil Kumkapi Schauplatz einer Premiere, die vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Als erstes türkisches Regierungsmitglied nahm EU-Minister Volkan Bozkir an einem Gedenkgottesdienst im armenischen Patriarchat teil. Bozkir sprach vom "Schmerz unserer armenischen Brüder" und von einem "schlimmen Ereignis".

Zur Erinnerung an die Opfer läuteten die Glocken der Patriarchatskirche 100 Mal. Und auch Erdogan erklärte in einer Grußbotschaft an die Armenier beim Gottesdienst, er teile den "Schmerz der Opfer". Die Herzen der Türken stünden den Nachfahren der osmanischen Armenier jederzeit offen, betonte er. Allerdings unterstrich Präsident Erdogan auch, im Ersten Weltkrieg seien im Osmanenreich Millionen Menschen jeder Volkszugehörigkeit ums Leben gekommen - von einer Entschuldigung bei den Armeniern war also keine Rede. Friedlich verlief der Tag aber nicht. An einer Istanbuler Uni gerieten Studenten und Polizei bei einer Armenier-Gedenkveranstaltung aneinander.

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