Zeugnisse für Merkels Kabinett

Die Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerin hatte in ihrer einjährigen Amtszeit ein Problem: Horst Seehofer. Der bayerische Regierungschef sieht in der 44-Jährigen seine Erfüllungsgehilfin. Und die schwankt noch. Nein zum Genmais (mit Seehofer), ja zur Genkartoffel (gegen Seehofer). Sollte sie erneut Ministerin werden, ist ein eigener Kopf nötig

Die Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerin hatte in ihrer einjährigen Amtszeit ein Problem: Horst Seehofer. Der bayerische Regierungschef sieht in der 44-Jährigen seine Erfüllungsgehilfin. Und die schwankt noch. Nein zum Genmais (mit Seehofer), ja zur Genkartoffel (gegen Seehofer). Sollte sie erneut Ministerin werden, ist ein eigener Kopf nötig. Note: 4 Der 50 Jahre alte Niedersachse hat viel bewegt - Stichwort Klimaschutzpaket. Die Kopenhagener Klimaverhandlungen würde er gern als Minister erleben. Das hätte er verdient. Falls er in die Opposition muss, wäre er der beste neue Fraktionschef der SPD. Denn der Mann kann auch beißen. Der Atomlobby bereitet er allein größere Schwierigkeiten als alle Grünen zusammen. Note: 2 Der Hübscheste, Weltläufigste und Jüngste von allen. Damit erklärt sich der Höhenflug des 37-jährigen Wirtschaftsministers auf der Beliebtheitsskala. Mit Leistungen (noch) nicht. Sagte Nein zum Rettungskonzept für Opel. Hatte allerdings selbst kein anderes Konzept parat. Der Mann kann tun und lassen, was er will, das Publikum will ihn überschätzen. Note: 3 In jeder Armee gibt es welche, die nicht so gut mit dem Gewehr umgehen können. Zwei linke Hände, gern mal ein Kommunikationsproblem und dann kommt auch noch öfters Pech dazu. Da können Schüsse durchaus nach hinten losgehen. Ob Afghanistan oder Piratenjagd - immer wenn der 60-Jährige sich schützend vor die Truppe stellte, wurde es für die politisch eng. Note: 5 Sieben Kinder zu Hause und dann auch noch vier Jahre lang "Mutter der Nation" - die 50-Jährige hatte gut zu tun. Von der Leyen revolutionierte die CDU-Familienpolitik geradezu. Dass sie sich alter SPD-Konzepte bediente - siehe Elterngeld - wusste sie dabei gut zu verbergen. Ihr Wechsel in ein anderes Ressort wäre ratsam, falls die CDU weiterregiert. Note: 2 Der 55-jährige Kanzleramtsminister ist kompetent und sympathisch. Er kennt sich auch in den kleinsten Details aus. Bei internen Konfliktfällen holte er die Minister oder Staatssekretäre an einen Tisch. Als Kanzleramtschef war er der "Ausputzer" in Merkels Regierung und damit ein interner Organisator der Macht. Könnte sich mal an einem richtigen Ministerium versuchen. Note: 2 Gemessen daran, dass ihre Macht in einer großen Koalition sehr beschränkt war, hat die Kanzlerin daraus das Maximale für sich herausgeholt. Erfolge blieben automatisch an ihr hängen, und wenn nicht, half sie nach. Die Kehrseite: Konflikte mied sie. Risiko ist ihr Spiel nicht. Sie moderiert, und das sehr geschickt. Die Deutschen fühlen sich mit der 55-Jährigen wohl. Note: 2 Andere verstanden es immer, trotz fehlender Zuständigkeit die Länder anzutreiben; die Bundesbildungsministerin nicht. Zuletzt hat die 54-Jährige versucht, auffälliger zu werden, mit Forderungen nach früherer Einschulung oder einem Raumfahrtprogramm. Aber so ist das nun mal in der Schule, wer zu spät den Finger hebt, den bestraft der Lehrer. Note: 5 Fühlte sich als elder statesmann im Kabinett. Leider kombinierte der 67-Jährige das als Innenminister nicht immer mit der Eigenschaft der Weisheit. Man erinnere nur an die penetrante Forderung, die Bundeswehr auch im Innern einzusetzen. Schoss oft über das Ziel hinaus. Zahlreiche Einschränkungen von Bürgerrechten wurden vom Bundesverfassungsgericht kassiert. Note: 4 Wenn Ärzte, Pharmalobbyisten oder Patienten schlecht träumen, dann erscheint ihnen Ulla Schmidt. Die 60-Jährige hat allen Beteiligten im Gesundheitswesen die Zähne gezeigt. Eigentlich könnte sie stolz sein auf ihre Arbeit gegen die einflussreichsten Interessenvertreter der Nation - wäre da nicht diese Dienstwagen-Affäre. Versetzung stark gefährdet. Note: 5 Listig suchte er nach Lücken, um der Union mehr Mindestlöhne abzutrotzen - und fand sie. Der 51-Jährige genießt auch das Vertrauen der Gewerkschaften. Scholz wäre als Taktiker im Oppositionsfall für die SPD eine Alternative als Fraktionschef. Aber nur, wenn er sich nicht wieder - siehe außerordentliche Rentenerhöhung - leichtfertig an der Rentenformel vergreift. Note: 3 Machtbewusst, intelligent, ironisch, zuweilen auch überheblich. Der 62-Jährige gehörte vor allem wegen seines Krisenmanagements zu den Schwergewichten. Sein Ziel, endlich einen Haushalt ohne neue Kredite zu präsentieren, aber scheiterte. Und zwar nicht nur an der Rezession, sondern auch an mangelnder Ausgabendisziplin, gegen die er wenig unternahm. Note: 3 Bedächtig, ruhig, entschlossen. So hat man den Außenminister in vielen Krisensituationen erlebt. Das Amt empfanden die Deutschen bei ihm gut aufgehoben. "Seine Effizienz" nannte man den heute 53-Jährigen, als er unter Gerhard Schröder die Regierungszentrale leitete. In vier Jahren vom Beamten zum Außenminister zum Kanzlerkandidaten. Das ist beachtlich.Note: 2 Der Spitzname "Flachwasser" ist etwas ungerecht. Der Minister für Verkehr, Bau und Aufbau Ost kann immerhin den Masterplan Güterverkehr, mehr Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur oder die Aufstockung des CO2-Sanierungsprogramms auf der Habenseite verbuchen. Doch beim wichtigsten Thema, dem Börsengang der Bahn, scheiterte der 54-jährige. Note: 4 Miss Entwicklungshilfe hat es leise aber beharrlich geschafft, die Ausgaben für die Dritte Welt von 3,5 Milliarden Euro im Jahr 1998 auf heute 5,8 Milliarden Euro zu steigern. Aber, und das ist die Kehrseite, niemand hat es wirklich gemerkt. "HWZ" regt niemanden an, fasziniert nicht, provoziert nicht. Das Ressort hat nach rund elf Jahren frischen Wind verdient. Note: 4 Die Justizministerin hat in den sieben Jahren ihrer Amtszeit pragmatisch agiert: Mehr Rechte für Scheidungskinder, für Stalking-Opfer, für Bahnkunden oder besserer Schutz gegen Telefonwerbung. Dem Unions-Hardliner Schäuble bot die 55-Jährige unbeirrt die Stirn. Aber: In den letzten vier Jahren endeten viele Auseinandersetzungen vorm Verfassungsgericht. Note: 3

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