Zerstörung, Kälte und Hunger – ein Alltag im Krieg

Donezk · Eine neue Feuerpause lässt die Not leidenden Menschen im ukrainischen Bürgerkriegsgebiet auf Besserung ihrer Lage hoffen. Doch zerstörte Infrastruktur, Kälte, Energie- und Wassermangel machen schwer zu schaffen. Und an Frieden glaubt kaum jemand.

Das Leben tausender Menschen in Konfliktgebiet Donbass spielt sich seit Wochen in den zu Bombenschutzbunkern umfunktionierten Kellerräumen ab. Zu groß ist auch bei den stets brüchigen Waffenruhen die Angst der Bewohner in den Regionen Donezk und Lugansk. Seit Monaten stehen ihre Wohnviertel unter Beschuss. "Die meisten, die noch da sind, sind keine jungen Leute mehr, Leute, die keinen anderen Ausweg haben und weiter in völlig unmenschlichen Verhältnissen leben", sagt Tatjana Lokschina. Die russische Mitarbeiterin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) ist gerade zurück aus dem Kriegsgebiet.

Von katastrophalen Zuständen in der Region berichten Lokschina und ihr Kollege Oleg Orlow von der Bürgerrechtsorganisation Memorial . Orlow beklagt, dass sich die Separatisten und Regierungstruppen trotz einer Waffenruhe immer wieder gegenseitig unter Feuer genommen hätten. Orlow und Lokschina schildern, dass vor allem der von Regierungstruppen kontrollierte Flughafen von Donezk weiter schwer umkämpft sei. In der Umgebung seien Wohnviertel und Straßen zerstört. Zivilisten würden extrem leiden. Es gebe weder Wasser noch Strom noch Gas.

Stellenweise arbeiten Suppenküchen, um die Menschen bei winterlichem Wetter zu ernähren. Immer wieder schickt auch Russland tonnenweise Hilfsgüter. Von einer möglichen Entspannung mag dennoch niemand sprechen - auch weil der harte Winter erst noch bevorsteht. Zudem wirft die Ukraine dem Nachbarn Russland vor, in den Lastwagen-Konvois in Wahrheit Waffen und Nachschub für die Separatisten zu liefern. Die prorussischen Separatisten wiederum werfen der ukrainischen Führung vor, Staatsangestellten und Rentnern schon seit Juli kein Geld mehr zu überweisen. Der "Transportminister" in Donezk , Semjon Kusmenko, teilte mit, dass auch Lebensmitteltransporte von ukrainischen Behörden nicht durchgelassen würden. Es gab zudem Berichte über erste Hungertote.

Das russische Staatsfernsehen zeigte zuletzt, wie die Menschen im Konfliktgebiet inzwischen eigene Banken gründen, Steuern in eigene Finanzsysteme einzahlen, um eine Verwaltung der Region zu erhalten. Auch die politischen Strukturen festigen sich den Berichten zufolge seit den nicht anerkannten Wahlen Anfang November in den "Volksrepubliken" Donezk und Lugansk. Doch angesichts der Unzufriedenheit der Menschen wächst auch der Druck auf die Separatistenführer.

Unterstützung kommt vor allem von privaten Initiativen wie der "Freiwilligen-Hundertschaft" oder von einer Stiftung des Donezker Milliardärs Rinat Achmetow , die regelmäßig Kleidung, Lebensmittel und Medikamente in die Kriegsregion schickt. Als besonders schwierig gilt die Lage für die tausenden Rentner . In Fernsehberichten empören sie sich darüber, ein ganzes Leben lang in der Ukraine gearbeitet zu haben - und nun ohne Rente dazustehen.

Hoffnung auf einen Frieden mit Kiew hat kaum jemand. Präsident Petro Poroschenko kündigte erst vor wenigen Tagen an, den Truppen in der Ostukraine neue Panzer und Kampfhubschrauber sowie weitere Kriegstechnik zu schicken. Schon die ersten beiden Feuerpausen standen stets im Ruf, nur einem Ziel zu dienen: sich frisch aufzustellen und Kraft für neue Kämpfe zu sammeln.

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HintergrundDie Nato stuft die jüngsten russischen Manöver über der Ostsee als außergewöhnliche Militäraktivitäten ein. Die am Sonntag beobachteten Flüge von sechs Langstreckenbombern könnten nicht als Routine bezeichnet werden, teilte das westliche Verteidigungsbündnis gestern mit. Ähnliche Manöver seien allerdings bereits Ende Oktober über der Nordsee und dem Atlantik geflogen worden. dpa

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