„Wir meistern das Internet“

London · 600 Millionen Kommunikationen überwachen die Briten mit der Operation „Tempora“ täglich und sind stolz auf diese Leistung. In einem Memo ist von einem „goldenen Zeitalter“ die Rede.

Wer dachte, dass das geheime amerikanische Abhörprogramm "Prism" alle Dimensionen sprengte, darf umdenken. Seit 18 Monaten, so enthüllte die britische Zeitung "Guardian" am Wochenende, läuft eine streng geheime Operation des britischen Abhördienstes GCHQ: "Tempora" überwacht den weltweiten Internetverkehr, indem es das interkontinentale Netzwerk der großen Glasfaserkabel anzapft. Die dadurch abgeschöpfte gigantische Datenmenge wird auf Schlüsselworte durchsucht und kann bis zu 30 Tagen gespeichert werden. Der US-amerikanische Abhördienst NSA hat Zugang zu diesen Daten.

Damit stellt "Tempora", was Umfang und Art der Datenmenge angeht, das amerikanische NSA-Programm "Prism" weit in den Schatten. Laut "Guardian" ist der GCHQ in der Lage, über 200 Glasfaserkabel anzuzapfen und 46 davon gleichzeitig zu überwachen. "Prism" hat lediglich einen direkten Zugriff auf die Server - und damit auf die Nutzerdaten - von neun großen Internetunternehmen wie Twitter, Google oder Facebook. "Tempora" dagegen bekommt alles mit: Telefongespräche, den Besuch einer Website oder den Inhalt einer E-Mail - es ist, wie der "Guardian" schätzte, die Rohmasse von 600 Millionen Kommunikationen täglich, die vom GCHQ überwachen wird.

"Tempora ist", urteilte der amerikanische Whistleblower Edward Snowden, "das größte Progamm einer verdachtsunabhängigen Überwachung in der Geschichte der Menschheit." Snowden war der NSA-Mitarbeiter, der den Stein ins Rollen brachte. Er hat die Informationen über das Prism-Programm zur Verfügung gestellt und jetzt auch die Dokumente über Tempora geliefert. "Der GCHQ ist schlimmer als die USA", sagte Snowden dem "Guardian". Das denkt auch der britische Abhördienst selbst. In einem internen Memo heißt es, dass der GCHQ "größere Mengen von Metadaten als die NSA produzieren kann" und den "größten Zugang zum Internet" unter den sogenannten "Fünf Augen" hat. Mit diesem Begriff wird die Schnüffelallianz der Geheimdienste von USA, Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland bezeichnet. Großbritannien hat sich in dieser Allianz die Marktführerschaft erobern können, indem man einen Weg fand, die transatlantischen Glasfaserkabel, durch die das Internet kommuniziert, anzuzapfen und die ungeheueren Datenmengen zu speichern. "Wir meistern das Internet", jubelte das Memo, "wir befinden uns in einem goldenen Zeitalter."

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