Vom Rapper zum gefürchteten Terrorchef

Berlin · Der Berliner Sänger „Deso Dogg“ soll in Syrien Kontakt zum Führungszirkel der IS-Terroristen um deren Chef Bagdadi haben. Deutsche Behörden befürchten nun, dass er Nachahmer ins Verderben lockt.

Er war schon totgesagt. Jetzt bewegt sich "Deso Dogg" alias Denis Cuspert im erweiterten Führungskreis der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), die in Syrien und im Irak ihr blutrünstiges Unwesen treibt. Das jedenfalls glaubt der Berliner Verfassungsschutz. Die Sicherheitsexperten haben in einer Lage-Analyse den Weg jenes Mannes aus Berlin nachgezeichnet, der nach zerrütteter Kindheit als mäßig erfolgreicher Gangsta-Rapper seine Wut herausschrie, um dann in nur vier Jahren offensichtlich in die höchsten Islamisten-Kreise aufzusteigen.

Als Beleg für die "Karriere" des heute 38-Jährigen zum deutschsprachigen "Demagogen des bewaffneten Dschihad" führen die Verfassungsschützer ein Video aus dem April an. Es zeigt, wie Cuspert in Anwesenheit eines der berüchtigtsten IS-Kommandeure Nordsyriens den Treueschwur auf IS-Topterrorist Abu Bakr al-Bagdadi ablegt.

Der Deutsche, der selbst an möglichen Völkermorden beteiligt sein soll, verfüge über direkten Zugang zu IS-Führungskreisen. "Ohne seine Glaubwürdigkeit als Dschihadist und seine Bedeutung als Propagandist wäre dies nicht denkbar", schreiben die Staatsschützer. Die Anziehungskraft des militanten Salafisten Cuspert, der als Sohn einer Deutschen und eines Ghanaers vor allem in Berlin-Kreuzberg aufwuchs, beunruhigt die Sicherheitsdienste schon lange. Seine tausendfach angeklickten Auftritte bei Twitter , Facebook und Youtube bergen für die Verfassungsschützer "ein erhebliches Mobilisierungsmoment für einschlägig radikalisierte Personen in Deutschland , die Reise nach Syrien anzutreten". Gerade deshalb dürfte Cuspert, der nach dem Verbot der Salafisten-Organisation "Millatu Ibrahim" (Gemeinschaft Abrahams) Deutschland verließ und nach Syrien reiste, für den IS interessant sein. Die Islamisten bauen sich in Europa "Youtube-Gesichter" auf, um Anhänger zu radikalisieren oder in den "heiligen Krieg" zu locken. Besonders drastisches Beispiel dafür ist jener IS-Terrorist, der sich John nennt, mit britischem Akzent spricht und auf Bildmaterial von der Ermordung der beiden US-Journalisten James Foley und Steven Sotloff zu sehen war. Das löste auf der Insel Schockwellen aus.

Bislang galten die meist ungehindert über die Grenzen des Nato-Partners Türkei nach Syrien ausgereisten Europäer oft als schlechte Kämpfer und wurden als "Kanonenfutter" eingesetzt. Über 400 Islamisten aus Deutschland , die meisten von ihnen Salafisten , kämpfen bereits in Syrien - 40 von ihnen sind nach Erkenntnissen der Dienste inzwischen tot. Auch "Deso Doggs" Ableben wurde mehrfach vermutet, etwa im September 2013, als er durch einen Luftangriff des syrischen Militärs schwer am Kopf verwundet wurde. Im Frühjahr 2014 wurde Cuspert aber wieder im Netz gesichtet - sein Überleben stärkte bei seinen Anhängern das Märtyrer-Image.

Die deutsche Salafisten-Szene ist wieder stärker in den Fokus gerückt, seit der Westen die IS-Terroristen massiv bekämpft, um im Nordirak einen Völkermord an Jesiden, Christen und anderen Minderheiten zu verhindern. Die schwarz-rote Bundesregierung hat sich in der Folge zu Waffenlieferungen an die Kurden im Nordirak entschieden, will Seite an Seite in einer Zehner-Koalition der Willigen mit den USA den IS zurückdrängen.

Experten sind sich jedenfalls einig, dass von extrem radikalisierten Leuten wie Cuspert Gefahr ausgeht - auch hierzulande. So stand Arid U., bevor er im März 2011 am Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten erschoss, über Facebook in Kontakt zu Cusperts Profil und soll sich unmittelbar vor den Morden mit einer Hassbotschaft eingestimmt haben. Die Tat, für die Arid U. zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, gilt als erster tödlicher Anschlag mit islamistischem Hintergrund in Deutschland . "Deso Dogg" selbst will einst als Selbstmordattentäter ins Paradies einziehen: "Ich wünsch mir den Tod und kann ihn nicht erwarten, bewaffnet mit Bomben und Granaten, (...) mitten im Zentrum oder in der U-Bahn, drück ich auf den Knopf."

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HintergrundHassprediger, "Scharia-Polizei" und Rückkehrer aus dem syrischen Bürgerkrieg: Die deutschen Behörden warnen seit langem vor einer Radikalisierung junger Muslime im Land. Bundesweit wächst nach Ansicht der Verfassungsschützer die Bereitschaft zum bewaffneten Kampf und zu Terroranschlägen. Mehr als 43 000 Menschen gehören nach Schätzungen zur islamistischen Szene in Deutschland . Der Anteil der deutschen Staatsangehörigen unter ihnen hat in den vergangenen Jahren zugenommen - gerade unter denen, die die Behörden "Gefährder" nennen. Die Salafisten wollen Staat und Gesellschaft ihre als "gottgewollt" propagierten Normen aufzwingen. Deutschland ist seit langem Ziel islamistischer Terroristen. Bis auf einen konnten bislang jedoch alle Anschläge vereitelt werden oder schlugen fehl. Verfassungsschützer beobachten außerdem die Reisebewegungen Richtung Syrien. dpa

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