Streit um Milliarden: Kassen wollen Überschüsse behalten

Berlin/Saarbrücken. Trotz eines Milliardenpolsters der Krankenversicherer wollen die großen Kassen die Versicherten finanziell nicht entlasten. Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) sowie die CDU riefen die Kassen weiter auf, ihre Wettbewerbschancen durch Prämienausschüttungen zu nutzen

Berlin/Saarbrücken. Trotz eines Milliardenpolsters der Krankenversicherer wollen die großen Kassen die Versicherten finanziell nicht entlasten. Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) sowie die CDU riefen die Kassen weiter auf, ihre Wettbewerbschancen durch Prämienausschüttungen zu nutzen. Einige der Kassen "schwimmen derzeit im Geld", sagte der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn der Zeitung "Welt". Sie könnten 60 bis 100 Euro im Jahr an ihre Versicherten auszahlen. Das Gesundheitsministerium bestätigte gestern der SZ, zumindest 30 der knapp 150 Kassen könnten wegen deutlicher Überschüsse an ihre Mitglieder Prämien ausschütten. Tatsächlich machen davon nur sieben kleinere Kassen mit zusammen einer halben Million Mitglieder Gebrauch. Die gesetzliche Krankenversicherung hat insgesamt gut 50 Millionen Mitglieder.Laut Gesetz können die Kassen an ihre Mitglieder Prämien zahlen, wenn ihre Rücklage mindestens 25 Prozent einer Monatsausgabe umfasst. Auch die IKK Südwest und die AOK Saarland erwägen aber keine Prämien. IKK-Pressesprecher Roland Spengler sagte gegenüber der SZ, Experten erwarteten eine Verschlechterung der Einnahmen. Die IKK wolle ein Polster aufbauen, "um auf Dauer Zusatzbeiträge zu verhindern". Christiane Firk sagte für den AOK-Vorstand, man wolle einen Jojo-Effekt bei den Beiträgen vermeiden.

Dass sich die Kassen zurückhalten, hat nach Einschätzung von Gesundheitsökonom Jürgen Wasem triftige Gründe. Sie hätten die schlechte Erfahrung gemacht, bei Erhebung eines Zusatzbeitrags viele Mitglieder zu verlieren. "Deshalb häufen solche Kassen lieber Geld an, um in Notlagen einem Zusatzbeitrag zu entgehen." Derzeit verlangen lediglich sieben Krankenkassen von ihren Mitgliedern einen solchen Extra-Obolus. Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD, Karl Lauterbach, machte sich derweil für eine Reform der Reform stark. "Die gegenwärtige Situation zeigt die ganze Absurdität des Systems", sagte Lauterbach unserer Zeitung. Durch den gesetzlich verordneten Einheitsbeitrag seien viele Kassen gezwungen, mehr Beiträge zu nehmen, als sie brauchten. Bei einer Senkung dieses Einheitsbeitrages müssten einige aber Zusatzbeiträge erheben. "Deshalb bettelt Bahr jetzt bei den Kassen, den Versicherten Geld zurückzugeben." Besser sei es, zu kassenindividuellen Beiträgen zurückzukehren. "Damit hätten sich auch die Zusatzbeiträge erledigt", sagte Lauterbach. dpa/mast/vet

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