Strahlendes Material im Gepäck von Islamisten?

Washington. Die Vorstellung lässt Schauer über den Rücken laufen: Terroristen gelingt im Zentrum einer Großstadt ein Anschlag mit Nuklearwaffen. Unzählige Menschen sterben oder werden verstrahlt, das Gebiet ist Jahrzehnte nicht betretbar. Lange Zeit war Nuklearterrorismus fast ein Tabuthema, vorbehalten für Hollywood-Filme und politische Expertenrunden. Ein Horrorthema par excellence

Washington. Die Vorstellung lässt Schauer über den Rücken laufen: Terroristen gelingt im Zentrum einer Großstadt ein Anschlag mit Nuklearwaffen. Unzählige Menschen sterben oder werden verstrahlt, das Gebiet ist Jahrzehnte nicht betretbar. Lange Zeit war Nuklearterrorismus fast ein Tabuthema, vorbehalten für Hollywood-Filme und politische Expertenrunden. Ein Horrorthema par excellence. "Ich glaube nicht, dass sich irgendjemand die Konsequenzen tatsächlich vorstellen kann", warnt Anita Nilsson, Direktorin bei der UN-Atombehörde IAEA. Für US-Präsident Barack Obama könnte das "die Bedrohung Nummer eins der Zukunft sein". Allein die schiere Fülle des Nuklearmaterials, das über dunkle Wege in die Hände von Terroristen gelangen könnte, lässt Sicherheitsexperten den Angstschweiß auf die Stirn treten. Hinzu kommt die prekäre Lage in Pakistan, die Situation in Russland und den ehemaligen Sowjetrepubliken Weißrussland, Kasachstan und in der Ukraine. Nun soll ein Gipfel in Washington über Abhilfe beraten. Den Gipfelteilnehmern - darunter auch Bundeskanzlerin Angela Merkel - steht eine Mammutaufgabe bevor. US-Sicherheitsexperten gehen davon aus, dass es weltweit rund 1600 Tonnen hochangereichertes Material gibt sowie etwa 500 Tonnen Plutonium. Immer wieder waren seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion Anfang der 90er Jahre Versuche von Nuklearschmuggel bekanntgeworden. Längst sind es nicht nur die Waffenarsenale, die Sorge bereiten - hinzu kommen Reaktoren zur zivilen Energiegewinnung und Forschungslaboratorien. "Es gibt Dutzende Länder und Hunderte Standorte", aus denen spaltbares Material gestohlen werden könnte, meint Harvard-Professor Matthew Bunn. "Das Problem ist, das Material ist leicht zu schmuggeln und schwierig zu entdecken." US-Experten sind sich sicher, dass Al-Qaida-Mitglieder in den vergangenen Jahren bereits "mehrfach versucht haben, in den Besitz von Nuklearmaterial und Knowhow" zu gelangen. Zwar lägen derzeit keine Hinweise vor, dass die Versuche von Erfolg gekrönt waren. Doch allein "die Risiken sind derart beängstigend, dass wirklich alles getan werden muss, um es zu verhindern", warnt Nilsson.Auf dem weltweiten Schwarzmarkt kommen Interessierte nach Statistiken relativ leicht an strahlendes Material. Die IAEA-Datenbank zu illegalem Nuklearhandel zählt von 1993 bis 2008 knapp 1600 Fälle, bei denen radioaktives Material gestohlen wurde oder schlicht verschwunden ist. Dass Terroristen damit selbst an einer Atombombe bauen, gilt wegen des extremen Aufwandes als unwahrscheinlich. Sie könnten sich Atomwaffen aber illegal aus Ländern wie Russland mit kaum überschaubarem Waffenarsenal oder dem politisch instabilen Pakistan beschaffen. Schneller und einfacher ist mit Schwarzmarkt-Material eine so genannte "schmutzige Bombe" zusammengebaut, die bei ihrer Explosion strahlendes Material in ihrer direkten Umgebung verteilt. Unter den 47 Ländern, die in Washington präsent sein werden, sind neben den sieben "offiziellen" Atommächten USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich, Indien und Pakistan auch die "Sorgenkinder" Kasachstan, Ukraine und Weißrussland sowie die "unerklärte Nuklearmacht" Israel, deren Regierungschef Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Freitag kurzfristig absagte - aus Sorge, dass arabische Länder gegen Tel Aviv Front machen könnten. Aber auch etwa Armenien, Algerien, Brasilien, Nigeria, Saudi-Arabien und die Philippinen sind dabei - in mehreren dieser Länder sind in der Vergangenheit schon Nuklear-Schmuggler tätig geworden. Die EU, die UN sowie die IAEA sitzen ebenfalls mit am Konferenztisch.Allerdings: Ausgerechnet Iran und Nordkorea, die beiden Staaten, deren Atomambitionen die internationale Gemeinschaft am meisten umtreibt, sind die "großen Abwesenden" in Washington. "Das könnte die Bedrohung Nummer eins der Zukunft sein."US-Präsident Obama über Nuklearwaffen in den Händen von Terroristen

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