SPD will Seehofers Stuhl ins Wanken bringenRegierungs-Umfragen sind gängige Praxis - Saar-SPD will Parteien dafür zahlen lassen

München. Die SPD im bayerischen Landtag ist fest entschlossen, den Fall der so genannten Resonanzstudien der Staatsregierung zu einem Fall Horst Seehofer zu machen

 Augen zu und durch? Bayerns Regierungschef Horst Seehofer muss derzeit viel Kritik einstecken. Die Landes-SPD wirft ihm vor, die Öffentlichkeit "nach Strich und Faden" betrogen zu haben. Foto: dpa

Augen zu und durch? Bayerns Regierungschef Horst Seehofer muss derzeit viel Kritik einstecken. Die Landes-SPD wirft ihm vor, die Öffentlichkeit "nach Strich und Faden" betrogen zu haben. Foto: dpa

München. Die SPD im bayerischen Landtag ist fest entschlossen, den Fall der so genannten Resonanzstudien der Staatsregierung zu einem Fall Horst Seehofer zu machen. Der Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende habe sich am vergangenen Wochenende in Interviews zu dem Thema "um Kopf und Kragen geredet", sagte SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz, ehe er gestern in den Urlaub entschwand.

Die Münchener Staatsanwaltschaft hält es zumindest für möglich, dass Untreue zu Lasten des Steuerzahlers vorliegt. Nach Angaben von Staatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch wurden Vorermittlungen eingeleitet, und zwar ohne dass eine Anzeige vorliegt. Man wolle sich nun die Studien besorgen und prüfen. Danach werde man entscheiden, ob förmliche Ermittlungen eingeleitet werden.

48 Seiten, für die das Hamburger Meinungsforschungsinstitut GMS mit 33 400 Euro entlohnt wurde, bringen nach Meinung des Oppositionsführers Seehofers Stuhl ins Wanken. Es handele sich klar um eine Parteienstudie, die korrekterweise von der CSU bezahlt werden müsse, sagte Rinderspacher. Nur auf vier der 48 Seiten würden Fragestellungen abgearbeitet, die in den Aufgabenbereich der Landesregierung fielen. Nicht aber sei es Aufgabe der Staatskanzlei, Zustimmungs- und Kompetenzwerte für Parteien abzufragen.

Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht eine Untersuchung, die Ende 2008 von GMS durchgeführt wurde. Im Kapitel "Zusammenfassung und Schlussfolgerungen" werden Empfehlungen gegeben, die auch den Koalitionspartner FDP auf die Palme brachte. "Die Fokussierung in der politischen Auseinandersetzung", heißt es da, "sollte auf SPD und Grüne, eventuell auch die FDP erfolgen, um die Freien Wähler nicht aufzuwerten". Kein Wunder, dass die von der Staatsregierung bezahlte Studie in Seehofers CSU/FDP-Kabinett nicht behandelt wurde.

Bei der Passage handele es sich um ein "Fazit des Umfrageinstituts und keine Frage der Regierung", sagte Seehofer in einem Interview. Er wisse nicht, warum GMS solche Schlussfolgerungen in die Studie geschrieben habe. Das wird auch von der FDP bezweifelt. Die Staatskanzlei habe gewusst, dass in dem bestellten Leistungsumfang auch die Handlungsempfehlungen enthalten seien, hieß es aus FDP-Kreisen.

FDP-Fraktionschef Thomas Hacker und Vizeregierungschef Martin Zeil hatten vergangene Woche in einem scharf formulierten offenen Brief detaillierte Auskünfte angefordert und "personelle Konsequenzen" angemahnt. Eine erste Unterlagen-Lieferung, die Hacker allerdings als "bei weitem noch nicht ausreichend" bezeichnete, ist inzwischen bei den Liberalen eingetroffen.

Seehofer war am Wochenende in die Offensive gegangen, hatte die volle Verantwortung für die Umfrage übernommen und erklärt, er würde es so "jederzeit wieder tun". Die "Beweislast und Faktenlage" für den dringenden Verdacht der Verletzung des Parteiengesetzes sei damit "erdrückend", meinte SPD-Fraktionschef Rinderspacher dazu. Seehofer habe die Öffentlichkeit "mit Lug und Trug" bedient und die Öffentlichkeit 15 Monate lang "nach Strich und Faden belogen".

Den Fahrplan für das Ende der Ära Seehofer stellt sich die SPD so vor: Voraussichtlich am 14. September wird sich der Ältestenrat des Bundestags mit der Frage beschäftigen, ob es sich bei der Umfrage auf Steuerzahlers Kosten, aber im Interesse der CSU um eine strafbare verdeckte Parteienfinanzierung handelt. Sollte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) das feststellen, stünden der CSU und Seehofer staatsanwaltschaftliche Ermittlungen und Strafzahlungen bevor, sagte Rinderspacher. Und dann möchte er sehen, wie Seehofer Rückzahlungen der CSU an den Staatshaushalt der Öffentlichkeit erklärt.

Da aus der Sicht von SPD und Grünen der Steuerzahler für das Herrschaftswissen der CSU bezahlt hat, wurde von den Oppositionsfraktionen auch der Bayerische Oberste Rechnungshof (ORH) eingeschaltet. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Margarete Bause erinnerte dabei an den ORH-Jahresbericht 2002, in dem die Landtagsfraktionen aufgefordert wurden, Repräsentativbefragungen zu unterlassen, bei denen das Parteiinteresse im Vordergrund stehe. Saarbrücken. Regierungen in Bund und Ländern lassen regelmäßig die Meinung der Wähler zu ihrem eigenen Ansehen oder dem der Oppositionsparteien und zu aktuellen Fragen ermitteln. Die saarländische Staatskanzlei hat seit dem Regierungswechsel von der SPD zur CDU im Jahr 1999 zwölf Umfragen für insgesamt rund 214 000 Euro in Auftrag gegeben, wie aus einer Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage der Abgeordneten Barbara Spaniol (Linke) vom Juli 2009 hervorgeht. Bei der letzten Erhebung Anfang 2009 ließ die Staatskanzlei auch die Einstellung der Saarländer zu einem möglichen rot-roten Bündnis nach der Landtagswahl und zu Oskar Lafontaines Kandidatur als Ministerpräsident ermitteln. Üblicherweise werden auch Parteikompetenzen, der gewünschte Ministerpräsident oder die politische Stimmungslage (Sonntagsfrage) abgefragt. Die Staatskanzlei betonte in ihrer Antwort auf Spaniols Anfrage, sie bestelle die Umfragen "im Rahmen ihrer rechtlichen Befugnisse und der im Haushaltsplan eingestellten Mittel". Sie nutze die Demoskopie, "um in unregelmäßigen Abständen ihre Arbeit zu überprüfen und an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger zu orientieren".

Die saarländische SPD forderte gestern ein Ende dieser Praxis in Bund und Ländern: "Wenn Parteien ein Interesse daran haben zu erfahren, wie die politische Stimmungslage ist, dann müssen auch Parteien solche Umfragen selbst beauftragen und bezahlen", teilte Generalsekretär Reinhold Jost mit. "Die Kosten für politische Umfragen aus der Staatskanzlei heraus dem Steuerzahler aufzubürden, ist unanständig." kir "Beweislast und Faktenlage sind erdrückend."

SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher über die Umfragen

der Staatskanzlei

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