Papier schlägt Wahlcomputer

Karlsruhe. Eines ist nach dem Karlsruher Nein zum Wahlcomputer so gut wie sicher: Die Deutschen werden den Wahlmarathon des Jahres 2009 wieder komplett mit Stift und Stimmzettel absolvieren. Die "elektronische Urne" bleibt aber nicht für alle Zeiten tabu - vorausgesetzt, die Stimmabgabe ist für den Wähler überprüfbar und verschwindet nicht im Dunkeln eines Speichermoduls

Karlsruhe. Eines ist nach dem Karlsruher Nein zum Wahlcomputer so gut wie sicher: Die Deutschen werden den Wahlmarathon des Jahres 2009 wieder komplett mit Stift und Stimmzettel absolvieren. Die "elektronische Urne" bleibt aber nicht für alle Zeiten tabu - vorausgesetzt, die Stimmabgabe ist für den Wähler überprüfbar und verschwindet nicht im Dunkeln eines Speichermoduls.

Die Geräte der niederländischen Firma Nedap, die das Bundesverfassungsgericht gestern beanstandete, waren bei der Bundestagswahl 2005 in den Bundesländern Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt im Einsatz; zwei Millionen Wähler gaben ihre Stimme per Knopfdruck auf dem Tastenfeld der leicht antiquiert wirkenden Computer ab. Hätte die Software ein Viertel dieser Stimmen in SPD-Voten verwandelt, wäre der 436 000-Stimmen-Vorsprung der Union vor der SPD zunichte gewesen. Natürlich nur theoretisch - mangels irgendwelcher Hinweise auf Manipulationen ließen die Karlsruher Richter das Ergebnis in Kraft.

Vizepräsident Andreas Voßkuhle war sichtlich bemüht, das Gericht nicht in den Verdacht der Technikfeindlichkeit zu bringen. Der Einsatz von Wahlcomputern bleibe durchaus möglich, merkte er zum Auftakt der Verkündung an - und eröffnete sogar eine Vision, von der im Urteilstext nicht die Rede war: "Auch Internetwahlen hat das Gericht keinen endgültigen verfassungsrechtlichen Riegel vorgeschoben." Voraussetzung für den Einsatz elektronischer "Wahlhelfer" ist allerdings, dass der Grundsatz der "Öffentlichkeit der Wahl" peinlich beachtet wird. Denn nur wenn eine Wahl buchstäblich "vor den Augen der Öffentlichkeit" stattfindet - transparent und überprüfbar -, verdient sie das Attribut demokratisch.

Diese Eigenschaft spricht der Zweite Senat den Nedap-Geräten ab, die in Deutschland seit den Europawahlen 1999 gebräuchlich sind. Gar nicht so sehr wegen ihrer angeblichen Fehleranfälligkeit, die eine Hacker-Gruppe im niederländischen Fernsehen vorgeführt hatte. Sondern aus einem einfachen Grund: Der Laie kann nicht nachvollziehen, was im Inneren des Geräts geschieht - ein unsichtbarer Software-Fehler kann CDU- in SPD-Stimmen verwandeln und umgekehrt, womöglich bundesweit und jahrelang. Die Auszählung von Stimmzetteln kann der Wähler dagegen im Wahllokal mit eigenen Augen verfolgen, Fehler können durch eine Nachzählung aufgedeckt werden. Letztlich geht es den Richtern um das Vertrauen der Bürger, dass bei der Wahl ihrer Volksvertreter alles mit rechten Dingen zugeht.

Und zwar gerade deshalb, weil langfristig die Rückkehr zum Wahlcomputer wohl unausweichlich sein wird. Gerade die Kommunen, denen der Computer bei den Kommunalwahlen mit komplizierten Wahlmechanismen wie Kumulieren (Häufeln von Stimmen) und Panaschieren (Verteilen von Stimmen über mehrere Listen) eine echte Hilfe war, warnen vor einem Ende des Wahlcomputers: "Wir müssen vielmehr nach den Maßstäben des Urteils den Einsatz elektronischer Wahlhilfen optimieren", forderte Gerd Landsberg vom Präsidium des Deutschen Städte- und Gemeindebundes gestern.

Wie das gehen könnte, steht auf den Seiten 37 und 38 des Urteils: zum Beispiel mit einem separaten Ausdruck des elektronischen Stimmzettels, der vom Wähler überprüft und anschließend in einer Urne gesammelt wird.

Hintergrund

Die Wahlcomputer der niederländischen Firma Nedap mit den Bezeichnungen ESD1 und ESD 2 sind in Deutschland erstmals bei der Europawahl 1999 eingesetzt worden. Um echte "Computer" handelt es sich jedoch nicht, Elektronik und Software sind nicht aufwendiger als bei einer Waschmaschine. Über ein großes Tastentableau, auf dem die Stimmzettel abgebildet sind, gibt der Wähler seine Stimme per Tastendruck ab. Kontrollieren kann er seine Eingaben über einen kleinen LCD-Bildschirm. Gesteuert wird das Gerät über eine Software, die auf zwei integrierten Chips gespeichert wird. dpa

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