Raúl Castro stellt Vertraute seines Bruders Fidel kalt

Mexiko-Stadt. Gut ein Jahr nach seinem Amtsantritt hat Kubas Präsident Raúl Castro (Foto: afp) mit einer umfassenden Kabinettsumbildung seine Macht gefestigt und gleichzeitig wichtige Vertraute seines Bruders Fidel ihrer Ämter enthoben

Mexiko-Stadt. Gut ein Jahr nach seinem Amtsantritt hat Kubas Präsident Raúl Castro (Foto: afp) mit einer umfassenden Kabinettsumbildung seine Macht gefestigt und gleichzeitig wichtige Vertraute seines Bruders Fidel ihrer Ämter enthoben. Der größten Regierungsreform seit der Revolution 1959 fielen am Montag überraschend Außenminister Felipe Pérez Roque (43) und Ministerpräsident Carlos Lage (57, Foto: afp) zum Opfer. Beide gehörten zu den exponiertesten Figuren der kubanischen Führung und wurden nach Fidel Castros Erkrankung im Juli 2006 von ihm noch als Mitglieder der Kollektivführung berufen. Neuer Außenminister wird Pérez Roques bisheriger Stellvertreter Bruno Rodríguez. Der 51 Jahre alte Jurist vertrat Kuba von 1995 bis 2003 bei der Uno. Als neuer Ministerpräsident fungiert künftig José Amado Ricardo Guerra, ein General und enger Vertrauter von Raúl Castro. Insgesamt elf Ministerien besetzte Raúl Castro neu oder legte sie mit anderen Ressorts zusammen. Dabei benannte er vor allem an den Schaltstellen der Wirtschaft neue Minister. So mussten Wirtschaftsminister José Luis Rodriguez, Finanzministerin Georgina Barreiro Fajardo und Außenhandelsminister Raúl de la Nuez Ramírez gehen. Darüberhinaus warf Raúl Castro auch den Vize-Präsidenten des Staatsrates, Otto Rivero, hinaus. Er war von Fidel Castro mit der "Schlacht der Ideen" beauftragt worden, einer Art Propaganda-Instrument zur Weiterentwicklung der Revolutionsziele. In einem Kommuniqué hieß es, die Regierung solle mit der Umbildung funktionsfähiger und straffer werden. Neben der Sicherung der Machtverhältnisse spielen bei dem Revirement zwei weitere wichtige Faktoren eine Rolle: Die prekäre Wirtschaftslage der Insel nach drei verheerenden Wirbelstürmen vergangenes Jahr und die von Castro II. angestrebte Annäherung an die USA. Diese wäre mit einem Außenminister Pérez Roque nur schwer möglich. Er war der treueste "Fidelista" in der Regierung und für seinen aggressiven Diskurs und seine ideologische Härte berüchtigt. Pérez Roque wurde mit 21 Jahren von Fidel Castro zu dessen Büroleiter berufen und blieb das sieben Jahre. Mit 34 Jahren machte ihn der damalige Staatschef zum Außenminister. Der abgesetzte Ministerpräsident Lage ist von Beruf Kinderarzt und galt als pragmatisch und ideologisch flexibel. Er ist der Architekt der Wirtschaftsreformen der neunziger Jahre, die Kuba nach Ende des Ostblocks das Überleben sicherten. Die Ablösung dieser beiden Schwergewichte muss als Sieg des 77 Jahre alten Raúl Castro im Machtkampf hinter den Kulissen gewertet werden. In den vergangenen Monaten rangen "Fidelistas" und "Raúlistas" um das Ausmaß der Reformen auf der Karibikinsel. Sukzessive hatte der kleine Bruder zuletzt Vertraute aus seinem Verteidigungsministerium auf hohe Regierungsposten gehoben und damit zunehmend die Parallel-Gruppen außerhalb des Machtapparats kalt gestellt, auf die der Bruder Fidel seine Macht stützte. Es muss sich nun zeigen, ob Raúls Reformimpuls vom Beginn seiner Amtszeit wieder aufflammt. Wirtschaftlich steht Kuba trotz weitreichender Hilfe der Verbündeten mit dem Rücken zur Wand. Für rund 2,5 Milliarden Dollar muss die Regierung im Ausland Lebensmittel kaufen, weil kaum die Hälfte der 6,5 Millionen Hektar Ackerland bestellt wird. Und ohne die täglich 90 000 Fass venezolanischen Öls zum Vorzugspreis würden Teile der Industrie und des Transportwesens still stehen. Die Kabinettsumbildung könnte darüberhinaus eine Annäherung an die USA beschleunigen, die Castro II. offenbar anstrebt. Der neue Außenamtschef Rodríguez ist durch seine langen Jahre auf dem diplomatischen UN-Parkett dafür prädestiniert. Auffällig ist, dass das Revirement in Zeiten fällt, in denen sich in Washington die Stimmen für das Ende des 47 Jahre alten Embargos mehren. Meinung

Raúl Castros Befreiungsschlag

Von SZ-Mitarbeiter Klaus Ehringfeld Raúl Castro hat mit der Axt im Kabinettswald geholzt und dabei zielsicher die Bäume gefällt, die sein großer Bruder Fidel dort gepflanzt und groß gezogen hatte. Der 77-Jährige wollte sich mit aller Macht aus dem langen Schatten seines Bruders befreien. Ob Raúl nun freier ist, Kuba weiter zu öffnen, muss sich erst noch erweisen. Angesichts der Wirtschaftskrise, ausgelöst durch Hurrikans und sinkende Rohstoffpreise, werden seit Jahresbeginn die Wirtschaftzügel wieder straffer angezogen und die Rolle des Staates betont. Das könnte darauf hindeuten, dass Raúl so weiter machen will wie bisher, nur effizienter und mit seinen eigenen Leuten. In der Außenpolitik weht aber ein anderer Wind. Der neue Ressortchef Rodríguez ist ein intellektueller und besonnener Politiker-Typ mit viel Erfahrung auf dem internationalen Parkett. In allem das genaue Gegenteil seines Vorgängers Pérez Roque. Rodríguez' Berufung wirkt so, als strecke Raúl Castro damit dem Erzfeind USA die Hand aus.

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