Datenskandal Ein Hacker, Seehofer – und zu viel Neuland

Berlin · Nach dem Webangriff auf Politiker und Stars geraten die Behörden unter Druck. Der Innenminister verspricht nun volle Transparenz – bald.

  Wer sich hinter dem Hackerangriff auf Politiker verbirgt, ist unklar. Die Behörden stehen jetzt unter Druck, weil sie offenbar nichts vom Angriff wussten.

Wer sich hinter dem Hackerangriff auf Politiker verbirgt, ist unklar. Die Behörden stehen jetzt unter Druck, weil sie offenbar nichts vom Angriff wussten.

Foto: dpa-tmn/Ole Spata

Handynummern, Privatadressen, Chat-Protokolle, Kontoauszüge und Personalausweiskopien von fast 1000 Politikern, Promis und Journalisten sind über Monate in sozialen Netzwerken öffentlich gemacht worden. Viele davon plakativ im Dezember über einen Adventskalenders. Von „G0d“ persönlich. So nennt sich der Hacker hinter dem Datenskandal. Von all dem haben deutsche Sicherheitsbehörden und ihr oberster Dienstherr, Bundesinnenminsiter Horst Seehofer, offenbar lange Zeit nichts mitbekommen. Und deshalb stehen sie nun in der Kritik. Der CSU-Minister hat nun zumindest umfangreiche Informationen versprochen. Er wolle sich an diesem Montag noch mal mit den Chefs des Bundeskriminalamts und des Bundesamts für IT-Sicherheit (BSI), Holger Münch und Arne Schönbohm, zusammensetzen. Spätestens Mitte der Woche wolle er die Öffentlichkeit informieren. „Die Öffentlichkeit wird alles erfahren, was ich weiß“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. Am Donnerstag kommt zudem der Innenausschuss des Bundestags zusammen.

Nach Angaben aus Sicherheitskreisen vom Sonntag sind 994 Personen von dem Online-Angriff betroffen. Es sind vor allem Politiker, aber auch Prominente und Journalisten. Etwa 50 Fälle seien schwerwiegender, weil größere Datenpakete wie Privatdaten, Fotos und Korrespondenz veröffentlicht worden seien, hieß es.

Am Wochenende wuchs auch die Kritik an der Arbeit des BSI und seines Präsidenten Schönbohm. „Das BSI hat sich nicht mit Ruhm bekleckert“, sagte FDP-Vize Wolfgang Kubicki am Rande des Dreikönigstreffens seiner Partei dem Sender n-tv. „Ein Präsident, der erst erklärt, man wisse seit Anfang Dezember von den Vorgängen, um jetzt zurückzurudern und zu sagen, man wisse es eigentlich erst seit dem 3. Januar, der muss sich fragen lassen, ob er der richtige Mann an dieser Position ist.“

Am Donnerstagabend war über einen Medienbericht öffentlich bekannt geworden, dass ein Unbekannter über ein Twitter-Konto bereits im Dezember massenhaft Daten und Dokumente im Netz veröffentlicht hatte, darunter Handynummern und private Chats. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sind unter den Betroffenen. Viele von ihnen erfuhren von dem Online-Angriff nach eigenen Worten erst am Freitag aus den Medien.

Dann sorgte das BSI mit seiner Informationspolitik für Irritationen. Schönbohm sagte dem Sender Phoenix: „Wir haben schon sehr frühzeitig im Dezember auch schon mit einzelnen Abgeordneten, die hiervon betroffen waren, dementsprechend gesprochen.“ Einen Tag später – am Samstag – gab das BSI allerdings nach heftiger Kritik an, dass die Experten einen Fall von Anfang Dezember sowie vier weitere Fälle im Lauf des Jahres 2018 zunächst für Einzelfälle gehalten hatten. Einen Zusammenhang habe man erst „durch die Analyse der Gesamtheit der aktuell im ganzen veröffentlichten Datensätze“ feststellen können. Von einer geplanten oder erfolgten Veröffentlichung der gestohlenen Daten im Zusammenhang mit dem Twitter-Account „G0d“ (@_0rbit) habe man bis zur Nacht zu Freitag „keine Kenntnis“ gehabt. Seehofer habe persönlich erst am Freitagmorgen von den Vorgängen erfahren, sagte er. „Vorher: Null.“

Viele Abgeordnete reagierten verärgert. Bundestagsvize Thomas Oppermann (SPD) sagte der „Bild am Sonntag“, es sei „empörend, dass gestohlene Daten tagelang im Netz präsentiert werden und die zuständige Behörde nichts unternimmt, um die Betroffenen zu informieren und zu schützen“. Er rief Seehofer, dem das BSI unterstellt ist, zum Handeln auf: „Das BSI muss zentrales Cyber-Abwehrzentrum in Deutschland werden und Innenminister Seehofer muss begreifen, dass dies eine der wichtigsten Aufgaben bei der inneren Sicherheit ist und in den kommenden Jahren auch bleiben wird.“

Aufklärung wird nun unter anderem von einer Sondersitzung des Bundestags-Innenausschusses am Donnerstag erwartet. „Wir pochen darauf, dass wir so schnell wie möglich Informationen bekommen“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Patrick Schnieder. Erst dann lasse sich sagen, ob auch in der Kommunikation zwischen Sicherheitsbehörden etwas schief gelaufen sei und ob es Defizite gebe. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil betonte: „Die zuständigen Gremien des Parlamentes müssen jetzt schnell und genau aufklären, welche Behörde wann was gewusst hat und wie darauf reagiert wurde.“ Für Seehofer sollte das „Priorität“ haben, sagte er den Funke-Zeitungen. „Es geht um den Schutz unserer Demokratie.“

Derweil laufen die Ermittlungen zum Datenklau „mit Hochdruck“, so ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt. Aus ermittlungstaktischen Gründen würden derzeit aber keine weiteren Angaben zu dem Verfahren gemacht, das die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft zusammen mit dem BKA führt, sagt ein Sprecher. „Wir werden die Medien informieren, sobald der Stand der Ermittlungen dies zulässt.“

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