Mit einer Genussmittelsteuer gegen Übergewicht?

Brüssel. Monatelang haben Herr und Frau Europäer hart für ihren Winterspeck gearbeitet, da taucht auch prompt wieder der Kampf gegen Übergewicht und Fettleibigkeit als Schlager in Sachen Verbraucherschutz auf. Anlass ist der 1. März. An diesem Tag will Rumänien als weltweit erstes Land eine Steuer auf fett-, salz- und zuckerhaltige Genussmittel einführen

Brüssel. Monatelang haben Herr und Frau Europäer hart für ihren Winterspeck gearbeitet, da taucht auch prompt wieder der Kampf gegen Übergewicht und Fettleibigkeit als Schlager in Sachen Verbraucherschutz auf. Anlass ist der 1. März. An diesem Tag will Rumänien als weltweit erstes Land eine Steuer auf fett-, salz- und zuckerhaltige Genussmittel einführen. Und da Kommission und Europa-Parlament schon lange ihren adipösen Wählerschichten zu Leibe rücken wollten, konnte es nicht lange dauern, bis die "Whopper-Steuer" auch in Brüssel auf begeisterte Zustimmung stoßen würde. "Die Förderung gesunder Essgewohnheiten müsste unverzüglich zu einer zentralen Strategie der Europäischen Union werden", forderte die konservativ-liberale rumänische Parlamentarierin Oana Antonescu und begann, für das Modell aus Bukarest zu werben. Sofort sprang die die European Public Health Alliance (Europäische Allianz für öffentliche Gesundheit, EPHA) dem Vorhaben begeistert zur Seite und sprach sich in einem offenen Brief an den rumänischen Ministerpräsidenten Emil Boc dafür aus, "ein EU-Programm auf der Grundlage dieser Initiative anzustoßen". Die Vereinigung von rund 100 Gesundheits-Initiativen aus allen 27 Mitgliedstaaten ist nun in Brüssel aktiv geworden. Mit dem als "McTax" verspotteten Vorhaben will die rumänische Führung erreichen, dass die Lebensquellen, die die Landsleute derart aufquellen lassen, künstlich verteuert werden - um 0,01 bis 0,1 Prozent des Verkaufspreises. Wirklich neu an dem Vorstoß in Bukarest ist die festgeschriebene Verwendung: Der "Burger-Zuschlag" soll nämlich nicht zu Fütterung des löchrigen Staatsetats benutzt werden, sondern der Finanzierung großangelegter Gesundheitskampagnen dienen. Den Protest der Wirtschaftsverbände, die den Wegfall von rund 36 000 Jobs befürchten, hält Gesundheitsminister Attila Czeke die Kosten für die Krankenkassen entgegen: Durch die Folgebehandlung von Dickleibigkeit und Adipositas gehen der europäischen Wirtschaft pro Jahr 192 Milliarden Euro verloren. Bei EPHA denkt man sogar an eine Art Doppelschlag. Parallel zur Besteuerung von Limonaden, Chips und Fritten sollten gesunde Lebensmittel durch staatliche Subventionen erschwinglicher gemacht werden. Der neue EU-Gesundheitskommissar John Dalli hat sich bisher noch nicht geäußert, schließlich hat er in der Vorwoche gerade erst seinen ersten Arbeitstag absolviert. Dass der Mann aber Sympathien für derartige Gesundheitsfantasien hat, war bei der Anhörung deutlich zu hören. Zwar ist Brüssel in Sachen Gesundheit nach wie vor eigentlich nicht zuständig. Aber spätestens seit der Raucherschutzgesetzgebung weiß man ja, dass die Kommission im Zweifel immer einen Trick findet, um ihre nicht vorhandenen Kompetenzen doch noch zu beanspruchen. Meinung

Tischlein deck' dich à la EU?

Von SZ-Korrespondent Detlef Drewes Es gibt wirklich keine Idee, die nicht verrückt genug wäre, als dass sie in Brüssel nicht auf Zustimmung stoßen würde. Tatsächlich gibt es aber auch wirklich genügend Gründe, jenen Zeitgenossen, die langsam aber sicher die Form ihrer Speisen annehmen, endlich zu Leibe zu rücken. Dennoch kann es nicht Aufgabe des europäischen Gesetzgebers sein, künftig unseren Tisch zu decken. Zumal kein Ernährungswissenschaftler der Welt Chips oder Burger, Limonade oder Schokolade zu einer Gesundheitsgefahr erklären würde, wenn diese in Maßen genossen werden. Ob die Vernünftigen aber für die Unvernünftigen die Krankenversicherung zahlen sollten, wird man mit Recht diskutieren dürfen.

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