Griechenland versinkt im Chaos - Brüssel prüft Etat-Hoheit

Brüssel. Griechenland schlingert dem Staatsbankrott entgegen. Während das Land gestern von einem Streik der Ärzte und Medienvertreter gegen die angeordnete Sparpolitik lahmgelegt wurde, wachsen in Brüssel die Sorgen. "Athen ist der Pleite näher als der Drei-Prozent-Stabilitätsgrenze des Euro", hieß es gestern in der Kommission

Brüssel. Griechenland schlingert dem Staatsbankrott entgegen. Während das Land gestern von einem Streik der Ärzte und Medienvertreter gegen die angeordnete Sparpolitik lahmgelegt wurde, wachsen in Brüssel die Sorgen. "Athen ist der Pleite näher als der Drei-Prozent-Stabilitätsgrenze des Euro", hieß es gestern in der Kommission. Das Haushaltsdefizit liegt bei 12,7 Prozent, die Schulden belaufen sich auf 300 Milliarden Euro. Im Januar muss Ministerpräsident Giorgos Papandreou in Brüssel seine Haushaltszahlen vorlegen. Was dann blüht, dürfte den Hellenen noch gar nicht klar sein: Faktisch übernimmt die EU-Kommission dann die Etat-Hoheit für das Land, das damit einen wichtigen Teil seiner Souveränität aufgeben müsste. Trotzdem wollen Europas Staats- und Regierungschefs nicht eingreifen. "Jeder einzelne Mitgliedstaat ist selbst verantwortlich für gesunde öffentliche Finanzen", wiederholte Bundeskanzlerin Angela Merkel gestern in ihrer Regierungserklärung, was sie schon beim EU-Gipfel Ende letzter Woche gesagt hatte. Soll heißen: Die Griechen müssen sich selbst mehr anstrengen. Das hatte der sozialdemokratische Regierungschef Papandreou auch versprochen. Vier Prozent weniger Lohn für alle öffentlichen Angestellten, staatliche Unternehmen sollen privatisiert werden. Der Katalog seiner unpopulären Maßnahmen ist lang. Doch Athen hat längst das Vertrauen auf den Finanzmärkten verspielt. Jetzt stufte auch eine der weltweit führenden Rating-Agenturen S&P das Land weiter herunter, was zur Folge hat, das Papandreou für Kredite noch mehr bezahlen muss. Eine Spirale hat begonnen, von der niemand weiß, ob die Regierung sie noch rechtzeitig bremsen kann. Getürkte Haushaltszahlen vor der Euro-Einführung, Korruption und mangelhafte Umsetzung der Privatisierung in der Wirtschaft - Athen ist "vom Wachstum weiter entfernt als jedes andere Land", heißt es in Brüssel. Hilfe von außen ist praktisch kaum möglich. Dass Athen sich Darlehen beim Internationalen Währungsfonds holt, wird bei der Kommission ebenfalls als eher unrealistisch eingestuft. Die politischen Bedingungen, die der IWF vor der Mittelvergabe erfüllt sehen will, entsprechen dem, was Brüssel schon seit Jahren fordert: ökonomische Reformen, politischen Umbau der staatlichen Systeme und einen stabilen Haushalt. dr

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