Gabriels Ausflug in die fremde Welt der Pegida

Dresden/Berlin · Mit Pegida-Anhängern reden – darf ein Spitzenpolitiker das? SPD-Chef Gabriel hat es jetzt einfach mal getan und damit den bisherigen Kurs seiner Generalsekretärin durchkreuzt. Er will vor allem eines zeigen: dass Politiker keine abgehobene Clique sind.

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat bei seinem Überraschungsbesuch in Dresden eigentlich nur seinen Job gemacht. Reden zählt zum Kerngeschäft eines Politikers. "Ich finde es richtig, wenn Politiker (bei Veranstaltungen) vom Schützenfest bis zur Feuerwehr auftauchen", sagt Gabriel - auch wenn das manchmal "eine Scheiß-Arbeit" sei.

Aber mit Pegida reden? Dass er am Freitagabend bei einer Veranstaltung der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung eine Stunde lang mit Anhängern des islamkritischen Bündnisses sprach, hat eine heftige Debatte vor allem in der eigenen Partei ausgelöst. Der von Gabriel als privat deklarierte Überraschungsbesuch hat viele in der SPD überrascht. Zwar wurde im Willy-Brandt-Haus in internen Runden über die Option eines Ausflugs nach Dresden gesprochen. Aber dass Gabriel tatsächlich dort aufkreuzen würde, haben offensichtlich nur wenige erwartet.

Vor allem Generalsekretärin Yasmin Fahimi bringt der Parteichef und Vizekanzler damit in eine schwierige Lage. Zwar sind sich beide einig, dass man nicht mit den Organisatoren reden sollte. Fahimi hatte aber auch einen Dialog mit den Anhängern der "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" bisher klar abgelehnt. Ihre Haltung bekräftigte sie in einem Interview für die "Frankfurter Rundschau", das bereits vor dem Gabriel-Auftritt in Dresden geführt wurde. "Wer mündig ist, trägt Verantwortung für seine Taten und dafür, wem er hinterherläuft. Deswegen möchte ich in keinen Dialog treten mit Leuten, die Stimmung schüren gegen Migranten, gegen Ausländer und gegen Andersdenkende."

Schon vor einigen Tagen hatte die Generalsekretärin der Sozialdemokraten in ihre Dialog-Absage ausdrücklich auch die Veranstaltungen der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung eingeschlossen. Ihre Haltung hat auch mit persönlichen Erfahrungen zu tun. Die Tochter eines Iraners wird in diesen Tagen übel beschimpft. Kürzlich las sie einen Schmähbrief vor, der den anonymen Absender "Pegida Magdeburg" trug, mit der Anrede "Frau Ausländerdrecksau" begann und mit Beschimpfungen wie "Du iranische Türkenprostituierte" weiterging.

Heute dürfte die Klärung der SPD-Position Thema der Telefonschalte des Präsidiums sein. Einige in der Partei betrachten die jüngsten Alleingänge Gabriels mit Sorge - zuletzt sorgte ein Aufruf für eine Großdemo gegen islamistischen Terrorismus für Unmut bei anderen Parteien.

Der SPD-Chef ist intern bekannt und mitunter gefürchtet für seinen Hang zu "Bauchentscheidungen". Nach Dresden kam der Vizekanzler aus mehreren Gründen: um den Pegida-Anhängern zuzuhören, zu verstehen, was sie antreibt, und um zu zeigen, dass Politiker keine abgehobene Clique sind, die sich nicht für ihre Wähler interessieren. "Mein Rat ist jedenfalls, das zu tun, was seit langem erforderlich ist: dass wir mit Menschen, die Sorgen haben, tabulos reden", sagte Gabriel. Er will verstehen, was die Frust-Bürger hier bewegt. Die SPD holte in Sachsen bei der letzten Landtagswahl 12,4 Prozent. Die strukturelle Schwäche im Osten ist dafür mitverantwortlich, dass sie im Bund so schwach dasteht.

Am meisten regten Gabriel bei der Debatte in Dresden nicht die Beiträge der Islamkritiker auf, sondern eine Rede der früheren DDR-Bürgerrechtlerin und CDU-Politikern Vera Lengsfeld : "Ich fand erschreckend, mit wie vielen Vorurteilen Frau Lengsfeld, eine frühere Berufspolitikerin, über Politiker geredet hat. Das fand ich richtig schlimm."

Ganz nebenbei konnte der SPD-Chef bei dem Gespräch zumindest versuchen, schräge Ansichten über die angebliche "Islamisierung des Abendlandes" geradezurücken. Ein Pegida-Anhänger meinte etwa, die islamischen Vereine hätten in Berlin durchgesetzt, dass alle Weihnachtsmärkte in Wintermärkte umbenannt würden. Gabriel wettete um ein Pils, dass das nicht stimmt. Vielleicht werden seine Gesprächspartner künftig vorsichtiger mit solchen Äußerungen sein.

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Auf einen BLickBeim ersten Aufmarsch der "Patriotischen Europäer gegen die Amerikanisierung des Abendlandes" (Pegada) in Erfurt sind Anhänger und Gegendemonstranten aggressiv aufeinandergetroffen. Die Polizei sprach von 500 Teilnehmern, die Samstagnachmittag aufeinandertrafen. Es habe bislang aber keine Festnahmen gegeben. Otto Schily , ehemaliger Bundesinnenminister (SPD ), hat als Reaktion auf Bewegungen wie Pegida gefordert, sich kritisch mit den Problemen von Einwanderung auseinanderzusetzen. "Wenn sich in manchen deutschen Stadtteilen Parallelgesellschaften bilden, (…) dann müssen solche Probleme angesprochen werden", sagte er dem "Spiegel". Die ehemalige Vorsitzende der Grünen-Fraktion im sächsischen Landtag, Antje Hermenau , fühlt sich den "Pegida"-Demonstranten in Dresden nahe. "Das sind meine Leute in Sachsen , die mit der Ideologiekeule reflexhaft erschlagen werden sollen", sagte die 50-Jährige in einem Gastbeitrag für die "tageszeitung". dpa/kna/epd

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