Böses Spiel mit SPD-Chef Sigmar Gabriel

Berlin · Miese Umfragen, unzufriedene Parteifreunde, eine Krankheit und ein böses Gerücht: SPD-Chef Gabriel steht unter Druck wie selten zuvor. Hat er die Kraft, seine Kritiker eines Besseren zu belehren?

Der "Sonntags-Stammtisch" des Bayerischen Rundfunks zählt sicher nicht zu den Fernsehsendungen, von denen bahnbrechende Nachrichten erwartet werden. Was "Focus"-Herausgeber Helmut Markwort gestern in der Gaststätte "Brunnerwirt" bei Weißbier und Brezn verkündet, hört sich allerdings ziemlich sensationell an.

"Ich habe aus zuverlässiger Quelle gehört, dass der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel zurücktreten will", sagt er. Die Nachfolge sei auch schon geregelt. "Olaf Scholz wird der neue Vorsitzende der SPD , der Hamburger Bürgermeister, und als Spitzenkandidat, als Kanzlerkandidat, ist der Schulz im Gespräch, Martin Schulz vom Europaparlament."

Die Reaktionen von SPD-Politikern auf Twitter ließen nicht lange auf sich warten. "Quatsch", "absoluter Quatsch", "Blödsinn", hieß es da. "Nächste Woche erklärt Helmut Markwort uns dann, wer Fußballeuropameister wird und wo Elvis Presley heute lebt", schrieb der Bundestagsabgeordnete Lars Klingbeil .

Die angeblichen Rücktrittspläne scheinen also nur heiße Luft zu sein. Die große Resonanz auf Twitter und bei den Online-Medien zeigt dennoch, dass ein solcher Schritt nicht als völlig unplausibel gilt. Der Goslarer gilt spätestens seit dem Parteitag im Dezember als angeschlagen. Damals gaben nur 74 Prozent der Delegierten ihm das Vertrauen. Die Zweifel an Gabriels Eignung für die Kanzlerkandidatur 2017 wachsen - auch wenn weiter klar ist, dass er den ersten Zugriff hat.

Kämpfernatur Gabriel

Aber will er überhaupt? Erst vor wenigen Tagen gab es Anzeichen, die dafür sprechen. Gabriel verkündete, dass sein Vertrauter und bisheriger Sprecher im Wirtschaftsministerium, Tobias Dünow, zurück ins Willy-Brandt-Haus wechselt. In der Parteizentrale übernimmt der 43-Jährige die neu geschaffene Stelle eines Leiters Kommunikation.

Heute will Gabriel die Diskussion über das Wahlprogramm auf einer Gerechtigkeitskonferenz in der SPD-Zentrale einläuten. Es wird sein erster Auftritt nach einer einwöchigen schmerzhaften Krankheit. Miese Umfragen , eine Partei, der er es nie recht machen kann, ein angeschlagener Körper - es gab schon ganz andere Politiker, die da nicht mehr weitermachen wollten. Gabriel aber ist eine Kämpfernatur.

Bei allem Genöle über Gabriels Zickzack-Kurs in Sachen Griechenland, Flüchtlinge oder Rente - keiner aus der Führungsmannschaft hatte bisher den Mumm, öffentlich zu sagen, dass er es besser kann als Gabriel. Andrea Nahles , Olaf Scholz & Co. warten in der Deckung. Gabriel soll sich 2017 die Niederlage gegen Merkel abholen und dann abdanken.

Doch Gabriel bleibt ein Vorsitzender auf Bewährung. In Parteikreisen wurden Informationen der "Bild am Sonntag" bestätigt, dass die Kanzlerkandidatur erst nach der NRW-Landtagswahl im Mai 2017 entschieden werden soll. Wie ein zu früh ins Rennen geschickter Kandidat wund gerieben wird, erlebte die SPD zuletzt mit Peer Steinbrück .

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