FDP-Abschied aus dem Saar-Landtag oder Wie man eine Fraktion abwickelt

Saarbrücken. Dieser Abschied auf Raten wirkt ein wenig wie ein selbstzerstörerischer Prozess. Geradezu folgerichtig steht am Ende eine Art Selbst-Liquidation: Die Fraktion der FDP Saar löst sich in Eigenregie bis zum Ende der Legislaturperiode auf. Das ist voraussichtlich der 23. April

Saarbrücken. Dieser Abschied auf Raten wirkt ein wenig wie ein selbstzerstörerischer Prozess. Geradezu folgerichtig steht am Ende eine Art Selbst-Liquidation: Die Fraktion der FDP Saar löst sich in Eigenregie bis zum Ende der Legislaturperiode auf. Das ist voraussichtlich der 23. April. Doch der Countdown begann schon im November 2010, mit dem Rücktritt von Horst Hinschberger (61) als Fraktionschef, setzte sich fort mit dem Austritt seines Nachfolgers Christian Schmitt (30) aus Amt, Fraktion und Partei, es folgte der Bruch der Jamaika-Koalition, am Wahlsonntag dann das parlamentarische Aus: 1,2 Prozent. Und jetzt? Läuft alles nach dem Fraktionsrechtsstellungsgesetz. Acht Büros fallen an den Landtag zurück, werden aber nicht durchgereicht an die Neuen, die Piraten, sondern nach einem neuen Gesamt-Verteilungskonzept vergeben. Viel mehr hat die Verwaltung denn auch nicht zu tun mit dem Auszug der FDP-Abgeordneten und deren Stab. Doch Landtagspräsident Hans Ley (CDU) sagt: "Für mich geht keine Fraktion, für mich sind das Einzelgesichter."Die Arbeitsplätze sind noch funktionstüchtig. Nur die privaten Teppiche von Horst Hinschberger (FDP) sind bereits eingerollt. Vordringlich ist jetzt allerdings Fraktionschef Christoph Hartmann (39) am Zug. Momentan löst er Leasingverträge auf, kümmert sich um die Vermittlung der bereits vor Wochen vorsorglich gekündigten Mitarbeiter, sucht Käufer für I-Pads, Fernseher, Mobiliar. Der Erlös geht in die Fraktionskasse, nicht verbrauchte Fraktions-Gelder - 2010 bekam die FDP 550 000 Euro - bekommt der Landtag zurück. Momentan arbeiten noch vier - zum Teil kurzfrsitig angestellte - Referenten in den Büros, ursprünglich waren es acht. Die Hälfte davon hat laut Hartmann bereits andere Jobs, unter anderem in der FDP-Fraktion in Hessen. Zwei der alten Mitarbeiter seien "längerfristig krank". Die Stimmung scheint angespannt, beim Kisten-Packen will sich niemand fotografieren lassen: Man wolle nicht zum "Entertainment" dienen, heißt es. Bei den scheidenden Abgeordneten sieht die Stimmungslage anders aus. Bedrückt wirkt nur Karl-Josef Jochem (59), seit 37 Jahren in der FDP und rund zehn Jahre im Parlament aktiv. Er hat zwar, wie er selbst sagt, Glück im - erzwungenen - Abschieds-Unglück, denn ab Juli kann er Rente beziehen. Dass er nicht mehr aufgestellt wurde, sieht er als ungerechte Kollektiv-Abstrafung. Jochems Kollege Christoph Kühn (48) kehrt als Geschäftsführer zurück in seine Gastroservice Catering GmbH (Saarlouis), Hinschberger (61) in seine Kamikaze Sportartikel-Vertriebs GmbH (Bexbach). Der Unternehmer nimmt sich nach zweieinhalb Jahren Landtag eine monatelange regenerative Auszeit: "Der Politik-Speck muss weg." Das unberechenbare Temperamentsbündel Hinschberger - von vielen als Haupt-Sprengkörper in der Partei gesehen - bezeichnet seine Parlaments-Phase als "vertane Zeit". Man habe ihn als Außenseiter, Besserwisser und Störenfried empfunden. Hinschberger sagt, "niedrige Beweggründe" wie Neid (auf ihn als Fraktionschef) hätten das innerparteiliche Miteinander vergiftet. Sein eigenes Zutun, die Strafanzeige gegen FDP-Altvordere in der Stiftung Villa Lessing, verteidigt er immer noch. Ex-Vize-Ministerpräsident Christoph Hartmann prüft derweil das vierte Job-Angebot, drei davon in der Unternehmensberatungs-Branche. Gestern war er in Düsseldorf unterwegs, das könnte was werden, signalisiert er der SZ. Auch, dass er das Saarland "zu 99 Prozent" verlässt. Ex-Minister fallen weich? "Nur wenn man als Lobbyist arbeiten will", sagt Hartmann. Doch er möchte ins "operative Geschäft". Dort gelte seine Polit-Karriere eher als Handicap. Hartmann hat den wohl rabiatesten Sturz hinter sich. Unsentimental, hoch professionell geht er damit um. Das was wirklich schmerzte - der Abschied von den Mitarbeitern im Wirtschaftsministerium - liegt bereits hinter ihm. ce

"Für mich geht keine Fraktion,

das sind Einzel-Gesichter"

Landtags-Präsident Hans Ley

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort