"Es darf beim Klimaschutz keine Schlupflöcher geben"

Herr Minister, ist der Kopenhagener Klimagipfel im Dezember schon vor seinem Start tot? Röttgen: Davon kann keine Rede sein. Es geht um die unausweichliche Notwendigkeit, den Klimawandel und die globale Erwärmung zu begrenzen. Das ist ein Menschheitsinteresse, dem sich keiner entziehen kann und will

Herr Minister, ist der Kopenhagener Klimagipfel im Dezember schon vor seinem Start tot?Röttgen: Davon kann keine Rede sein. Es geht um die unausweichliche Notwendigkeit, den Klimawandel und die globale Erwärmung zu begrenzen. Das ist ein Menschheitsinteresse, dem sich keiner entziehen kann und will. Dieser Wille zum Erfolg ist bei allen Teilnehmern der Vorbereitungskonferenz in Kopenhagen zu spüren. Sie sind Optimist. Am Wochenende hatte man nach dem Treffen der asiatisch-pazifischen Länder genau den gegenteiligen Eindruck.Röttgen: Da ist offenbar ein Missverständnis entstanden. Dass es in Kopenhagen zu einer politischen Vereinbarung und erst später zu einem rechtlich verbindlichen Vertrag kommen würde, war allen Beteiligten schon länger klar. Es ist auch schon vorher öffentlich gesagt worden. Es kommt auf die Inhalte an. Ich halte es für entscheidend, dass im Dezember politisch verbindliche Verabredungen zu Zielen, zur Überprüfung dieser Ziele und zur Finanzierung getroffen werden. Und die müssen dann im nächsten Jahr in ein rechtliches Abkommen überführt werden.Sie sprechen den Vorschlag eines Klimaabkommens in zwei Schritten an. Wird damit der Klimaschutz nicht einfach nur vertagt?Röttgen: Nein. Entscheidend ist, dass mit diesem Weg auch effektive Instrumente und ein Zeitplan verabredet werden, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Genau das ist unsere Absicht.Aber selbst die USA halten doch ein bindendes Abkommen für unrealistisch.Röttgen: Falsch. Auch die USA sagen inzwischen, dass es ein verbindliches Abkommen geben soll. Allerdings bestehen wir gegenüber den USA darauf, einen festen Zeitplan für den Abschluss im Jahr 2010 zu verabreden.Das heißt, eine Reduzierung der weltweiten CO2-Emissionen um mindestens 50 Prozent bis 2050 ist noch zu erreichen, um die Erwärmung auf zwei Grad zu beschränken?Röttgen: Aus diesem obersten Ziel der Zwei-Grad-Begrenzung, zu dem sich alle bekannt haben, leitet sich die ganze Notwendigkeit der Klimakonferenz ab. Wir werden den Weg dahin vereinbaren. Damit meine ich eine klar benannte CO2-Reduzierung für die Industrieländer bis 2020 um 25 bis 40 Prozent und bis 2050 um 80 bis 95 Prozent, die rechtliche Überprüfbarkeit der eingegangenen Verpflichtungen und die finanzielle Unterstützung der Entwicklungsländer. Das sind die harten, konkreten Punkte.Beunruhigt Sie nicht, dass gerade China offenbar bei der Reduzierung der Treibhausgase ausscheren will?Röttgen: Ich sehe das so nicht. Die Chinesen leiden bereits ganz unmittelbar unter den Folgen des Klimawandels. Das Land hat daher schon konsequent mit einer Politik der CO2-Minderung begonnen und auch noch weitergehende Schritte angekündigt. Denn China hat entdeckt, dass Klimaschutzpolitik auch eine Frage der wirtschaftlichen Modernisierung ist.Der Folgeprozess nach dem Kyoto-Abkommen hat gezeigt, dass es viele Schlupflöcher gibt, um Klimaschutz-Verpflichtungen zu umgehen. Wie wollen Sie dies nach Kopenhagen verhindern?Röttgen: Das Abkommen darf in seiner rechtlichen Architektur keine Schlupflöcher bieten. Ein Nachteil von Kyoto war, dass nicht alle Länder in einem Boot saßen. Insbesondere die USA haben mitverhandelt, aber das Abkommen nicht ratifiziert. Die Vereinbarungen von Kopenhagen müssen daher alle Länder umfassen, also auch die USA und China.Welche Folgen hätte es, wenn nicht die Ergebnisse erzielt werden, die Sie sich erhoffen?Röttgen: Das hätte schlimme Folgen. Denn dann wären die Überlebenschancen von Millionen Menschen durch fehlende Wasserversorgung oder massive Überflutungen gefährdet. Es gibt auch keine Insel, auf die sich der bislang reiche Teil dieser Welt vor diesen Folgen flüchten könnte. Das sollten wir nicht vergessen.Was kann Deutschland tun, damit die Weltklimakonferenz ein Erfolg wird?Röttgen: Deutschland hat eine Vorreiterrolle, die wir aktiv einbringen werden. Wir haben dafür gesorgt, dass Europa mit einer Stimme spricht. Es reicht auch nicht, wenn die einen Länder immer nur Forderungen an die anderen stellen. Deutschland und Europa sind dadurch glaubwürdig, dass sie selber Klimaschutzpolitik erfolgreich betreiben. Dadurch können wir den internationalen Prozess vorantreiben.Jetzt steht fest, dass auch Kanzlerin Merkel nach Kopenhagen reisen wird. Brauchen Sie Unterstützung?Röttgen: Die Kanzlerin steht dafür, dass Klimaschutzpolitik zu den Prioritäten internationaler Politik zählt. Darum ist ihre Anwesenheit eine ganz wertvolle Hilfe.

HintergrundDie Umweltminister aus 40 Ländern, darunter die USA, China und Indien, sind gestern unter Ausschluss der Öffentlichkeit in der dänischen Hauptstadt zu neuen Verhandlungen zusammengekommen. Zugleich räumte auch die EU ein, dass es im Dezember nur ein politisches, aber kein juristisch bindendes Abkommen mehr geben soll. Eine Sprecherin der EU-Kommission drang jedoch in Brüssel darauf, dass diese Vereinbarung eine Einigung auf Ziele der CO2-Reduzierung und die Finanzierung von Klimamaßnahmen in den Entwicklungsländern enthalten müsse.Der dänische Regierungschef Lars Løkke Rasmussen hatte als Gast des Asien-Pazifik-Forums am Sonntag in Singapur grünes Licht von den USA, China und Russland dafür erhalten, in Kopenhagen kein bindendes Abkommen, sondern nur noch eine politische Willenserklärung zur Verminderung der Treibhausgase anzustreben. Als Grund gilt vor allem das Zögern der US-Regierung. dpa

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