Stolperfallen für Obama Die wichtigsten Knackpunkte beim China-Besuch

Shanghai

Shanghai. Die Amerikaner hatten sich alles ganz anders vorgestellt: US-Präsident Barack Obama sollte bei einer Art Bürgerversammlung mit Studenten in Shanghai ganz China zeigen, wie praktizierte Demokratie aussieht, er wollte mutig die Probleme Chinas mit Menschen- und Bürgerrechten ansprechen, in jeder Hinsicht ein Zeichen für universelle Menschenrechte und amerikanisches Selbstbewusstsein setzen - gleichzeitig aber für enge Zusammenarbeit und noch mehr Handel mit der aufstrebenden Weltmacht werben. Dem US-Präsidenten gelang das alles kaum. Dafür verplapperte sich Obama bei einem Thema, das ihm zu Hause noch Ungemach bereiten wird: "Ich habe noch nie getwittert (. . .), meine Finger sind zu ungeschickt", gestand er, darauf anspielend, dass die kurzen, maximal 140 Zeichen langen Twitter-Botschaften oft auf Handys eingetippt werden. Der Präsident übersah, dass Millionen junger Amerikaner vor allem im Wahlkampf geglaubt hatten, Hunderte persönlich von Obama verfasste "tweets" bekommen zu haben. Ganz offensichtlich aber hatte das sein fleißiges Kommunikationsteam besorgt. Zumindest für den großen Auftritt aber ist der Meister selbst zuständig: Auch in Shanghai gelang die Inszenierung des großen Kommunikators, der gleichzeitig eine Vision verkündet, um dann wieder bescheiden und selbstkritisch zu betonen, dass er von allen lernen wolle. Einschmeichelnd begrüßte er die Studenten im Auditorium des Museums für Wissenschaft und Technik im lokalen Shanghai-Dialekt mit "Nong Hao" ("Wie geht es Ihnen"), was vielleicht wegen seiner Aussprache viel Kichern und etwas freundlichen Applaus auslöste. Wirklich enttäuscht aber war das Weiße Haus, weil es gehofft hatte, dass das chinesische Staatsfernsehen die Obama-Veranstaltung landesweit live übertragen würde. Stattdessen war sie nur im Regional-Kabelfernsehen von Shanghai zu sehen - und dann auch nur der Anfang der Debatte. Obama sprach recht offensiv und mutig die Menschenrechte an, wandte sich gegen jede Zensur und trat für "universelle Rechte" auf Meinungs- und Religionsfreiheit ein. Aber die Erwartung der Amerikaner, dass wenigstens einer der paar hundert sorgsam von den Chinesen ausgesuchten Studenten das Thema aufgreifen würde, wurden enttäuscht. Nur die vom US-Botschafter übermittelte Frage betraf die Freiheit im Internet, das niemand stärker zensiert als China. Die Fragen der jungen Chinesen wirkten so harmlos wie der gesamte Auftritt der höflichen, freundlichen, disziplinierten, keineswegs enthusiastischen Studenten, die nie auch nur den Hauch einer demokratischen Bürgerversammlung aufkommen ließen. Stattdessen sprachen sie Themen an, die die Führung in Peking beschäftigt: Akzeptieren die USA Chinas Aufstieg? Schon in seinen einleitenden Worten ging Obama auf die Sorgen ein, dass die USA die aufstrebende Macht China klein halten wollten: "Wir versuchen nicht, China einzudämmen." Im Gegenteil: Die USA hießen China als erfolgreiches Mitglied in der Weltgemeinschaft willkommen. Seine Botschaft lautete, dass in der heutigen Welt alle Nationen voneinander abhängig seien, ganz besonders China und die USA. "Wenige globale Herausforderungen können gelöst werden, wenn die USA und China nicht zusammenarbeiten." Obama, der nie zuvor in China gewesen ist, gab sich als Chef-Diplomat. Auf die heikelste Frage nach den amerikanischen Waffenverkäufen an Taiwan, das Peking als abtrünnige Provinz ansieht, blieb der Präsident eine Antwort schuldig und begrüßte nur den jüngsten Abbau der Spannungen. In ersten Reaktionen von Chinesen zeigte sich Enttäuschung. "Ich finde, es wurde nichts Substanzielles diskutiert", kommentierte ein Regierungsangestellter, der die Diskussion im Internet verfolgt hatte. "Obama sprach nur indirekt, ging umständliche Wege", meinte der 28-Jährige. "Ich fand aber auch die Fragen nicht gut." Ähnlich empfand eine 31-jährige Übersetzerin die Debatte nicht sonderlich inspirierend. "Obamas Charisma zeigte sich gar nicht." Es scheint, dass die Veranstaltung in Shanghai von keiner Seite als wirklicher Erfolg gewertet wurde.Peking. Der amerikanische Präsident Barack Obama und der chinesische Staats- und Parteichef Hu Jintao setzen heute ihre Beratungen fort. Die wichtigsten Knackpunkte:Handelsungleichgewichte: China hat seit Jahren massive Exportüberschüsse mit den USA, während amerikanische Unternehmen über mangelnden Marktzugang in China klagen. Die USA werfen China vor, seine Währung künstlich unterzubewerten, um die Ausfuhren billiger zu machen. In der globalen Wirtschaftskrise haben sich die Handelsprobleme zwischen beiden Ländern durch gegenseitige Vorwürfe über Dumping und Protektionismus noch verschärft. Weltwirtschaftskrise: In der Reform der internationalen Finanzstruktur fordert China mehr Mitsprache der Entwicklungsländer. Klimaschutz: China und die USA sind die beiden größten Klimasünder der Welt. Eine konkrete Vereinbarung über eine Verringerung ihrer Treibhausgase vor dem Weltklimagipfel im Dezember in Kopenhagen wird nicht mehr erwartet. China sieht zuerst die USA und die reichen Industrienationen am Zuge, bemüht sich gleichwohl um eine Verringerung seines Energieverbrauchs. Nordkorea: China und die USA versuchen gemeinsam, Nordkorea zu den Verhandlungen über ein Ende seines Atomwaffenprogramms zurückzuholen. Iran: Im Atomstreit mit Teheran wollen die USA weniger Zurückhaltung auf Seiten Chinas, das grundsätzlich einer Politik der Nicht-Einmischung folgt und auch in Energiefragen eng mit dem Iran kooperiert. Tibet: Obama hat deutlich gemacht, dass er auch künftig wieder mit dem Dalai Lama zusammentreffen will. China lehnt Treffen ausländischer Politiker mit dem religiösen Oberhaupt der Tibeter entschieden ab. dpa

HintergrundDie chinesische Polizei hat mehrere Bürgerrechtler wegen des Besuches von US-Präsident Barack Obama festgenommen oder unter Hausarrest gestellt. Der US-Präsident, der gestern noch in Shanghai die Einhaltung der Menschenrechte angemahnt hatte, traf am Nachmittag zur zweiten Station seiner China-Reise in Peking ein. Auf dem Programm stand ein Abendessen mit Staats- und Parteichef Hu Jintao im Staatsgästehaus im Westen Pekings. dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Neue Rathauspläne Rathauschef Hans-Heinrich Rödle setzt in Sachen Lebensmittelmarkt in Ottweiler nun auf die "zweitbeste Lösung". Die Klage einer Bürgerinitiative hat den von ihm wie auch vom Stadtrat favorisierten Standort für einen Vollsortimenter gekip
Neue Rathauspläne Rathauschef Hans-Heinrich Rödle setzt in Sachen Lebensmittelmarkt in Ottweiler nun auf die "zweitbeste Lösung". Die Klage einer Bürgerinitiative hat den von ihm wie auch vom Stadtrat favorisierten Standort für einen Vollsortimenter gekip