Eine Seuche gerät in Vergessenheit

Berlin. Bilder apathischer Creutzfeldt-Jakob-Patienten in Großbritannien schockierten in den 90er Jahren die Öffentlichkeit. Ein qualvoller Tod erwartete sie - offenbar als Folge des Verzehrs von BSE-infiziertem Rindfleisch. Szenarien britischer Forscher sagten eine Epidemie mit möglicherweise Zehntausenden Opfern voraus

 Bei rund 400 Kühen in Deutschland wurde bis Ende 2009 BSE diagnostiziert. Foto: dpa

Bei rund 400 Kühen in Deutschland wurde bis Ende 2009 BSE diagnostiziert. Foto: dpa

Berlin. Bilder apathischer Creutzfeldt-Jakob-Patienten in Großbritannien schockierten in den 90er Jahren die Öffentlichkeit. Ein qualvoller Tod erwartete sie - offenbar als Folge des Verzehrs von BSE-infiziertem Rindfleisch. Szenarien britischer Forscher sagten eine Epidemie mit möglicherweise Zehntausenden Opfern voraus. So schlimm ist es bei weitem nicht gekommen: In der Bundesrepublik gab es bisher keinen Fall der Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK), die mit BSE in Zusammenhang gebracht wird. Glück, aber auch eine Folge des raschen Krisenmanagements, wie Michael Beekes vom Robert-Koch-Institut sagt. "Es war schlichtweg Glück, dass BSE so schwer auf den Menschen übertragbar ist", erklärt er. Zugleich seien die Infektionswege, sobald man sie erkannt habe, schnell unterbrochen worden: So wurde die Verfütterung von Tiermehl an Rinder verboten. Außerdem darf das sogenannte Risikomaterial von Rindern, also Gehirn, Augen oder Rückenmark, nicht verwertet werden, und Schlachttiere müssen ab einem bestimmten Alter auf BSE getestet werden.

Weltweit hat es etwa 220 CJK-Fälle gegeben, davon 174 in Großbritannien. Dort wurde auch die weitaus höchste Zahl BSE-infizierter Rinder registriert, etwa 180 000 nach Zahlen der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE). Schätzungen gehen davon aus, dass sogar 700 000 bis 750 000 BSE-Rinder in die Nahrungskette gelangt sind. In Deutschland wurde bislang bei 406 Rindern (Stand: Ende 2009) BSE diagnostiziert, erstmals heute vor zehn Jahren. Die meisten Fälle gab es 2001 (125) und 2002 (106), wie das Friedrich-Löffler-Institut für Tiergesundheit festgestellt hat. Dementsprechend gab es in der Bundesrepublik nie solche extremen CJK-Szenarien wie in Großbritannien. Dennoch ging nach dem ersten Auftreten von BSE der Konsum von Rindfleisch um fast die Hälfte zurück.

CJK ist eine sogenannte Prionenkrankheit und als solche extrem selten. Bei einem Prion handelt es sich, vereinfacht gesagt, um ein infektiöses Eiweißmolekül, das aus einem normalen Nervenzellenprotein entstanden ist, seine biochemischen Eigenschaften aber verändert hat. Dieses Prion bindet sich offenbar an Nervenzellen und zwingt anderen Prionprotein-Molekülen seine Struktur auf. Seine Ablagerungen töten schließlich die Nervenzellen. Dabei entstehen Löcher im Gehirn. Die Krankheit ist nicht behandelbar und führt unweigerlich zum Tod.

Die Inkubationszeit ist lang, mindestens viereinhalb Jahre, wahrscheinlich zehn bis 15 Jahre, vielleicht aber auch noch länger. Womöglich gibt es also viele Menschen, die die Krankheit in sich tragen. Wissenschaftler halten das allerdings für nicht allzu wahrscheinlich. Sorge bereitet aber auch ein anderes Phänomen: In Großbritannien sind mittlerweile vier Fälle bekannt, in denen die Krankheit über Blutspenden von vCJK-Infizierten weitergegeben wurde. Eine solche Infektion kann man nicht erkennen; es gibt keine entsprechenden Tests. In Deutschland darf deshalb niemand Blut spenden, der in den Jahren 1980 bis 1996 länger als sechs Monate in Großbritannien gelebt hat. Die Blutspendedienste verlassen sich dabei auf die Selbstauskunft des Spenders.

Ein medizinischer Durchbruch zur Behandlung von CJK ist nicht in Sicht. "Man bräuchte ein Medikament, das direkt im Gehirn wirkt", sagt CJK-Experte Beekes. Angesichts der geringen Fallzahlen werde heute nur noch beschränkt danach geforscht. "Das Thema BSE/CJK ist aus der Öffentlichkeit verschwunden, und damit sind auch die Fördermittel deutlich zurückgefahren worden", erklärt er. dapd

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