Ein zauberhafter Abend mit Schweinskäs

Im Saal summt es wie in einem Bienenstock. Die Römerhalle in Dillingen-Pachten, wo sonst Badmintonspieler hechten oder Tanzmariechen Beine schwingen, ist voll besetzt. Über 400 Genossen drängeln sich, um zwei Wochen nach dem Ende der verhassten "Jamaika"-Koalition eine frohe Botschaft zu hören

Zaubern müsste man jetzt können - so wie der Künstler Maxim Maurice (rechts), denkt sich vermutlich SPD-Chef Heiko Maas. Foto: Ruppenthal

Zaubern müsste man jetzt können - so wie der Künstler Maxim Maurice (rechts), denkt sich vermutlich SPD-Chef Heiko Maas. Foto: Ruppenthal

Im Saal summt es wie in einem Bienenstock. Die Römerhalle in Dillingen-Pachten, wo sonst Badmintonspieler hechten oder Tanzmariechen Beine schwingen, ist voll besetzt. Über 400 Genossen drängeln sich, um zwei Wochen nach dem Ende der verhassten "Jamaika"-Koalition eine frohe Botschaft zu hören. Deshalb muss Nalbachs Bürgermeister Patrik Lauer, der an diesem Sonntag Landrat im Kreis Saarlouis werden will, warten. Heiko Maas, der Chef, hat Vortritt. Es geht schließlich um etwas ganz Großes und Wichtiges: das Saarland.Das traditionelle Schweinskäsessen der SPD Dillingen in Oskar Lafontaines Heimatort Pachten steht diesmal unter einem ganz besonderen Stern: Es wird Neuwahlen geben an der Saar, schon am 25. März. Erst tags zuvor haben sich Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) und Heiko Maas nach einem Gesprächsmarathon auf dieses Vorgehen geeinigt. Ursprünglich war ja der fliegende Wechsel von "Jamaika" in die große Koalition geplant, Maas wollte diese Option jedenfalls "ernsthaft prüfen". Und dann kam ihm die aus dem Frust erwachte Basis dazwischen, die mit glänzenden Augen sofort losbollern wollte. Es bedurfte einiger Überredungskunst in den Kreisvorständen und fast 15 Verhandlungsstunden mit der CDU, um die entfesselten Emotionen wieder zu zähmen.

Jetzt steht Heiko Maas im Foyer der Römerhalle und sieht nicht wie ein Feldherr aus. Er wartet auf seinen Einzug in den Saal und lächelt zufrieden, es ist schließlich ein Heimspiel für ihn. Aber ganz so glücklich scheint er nicht zu sein. Die Erwartungen sind riesig, schließlich hofft die SPD Saar schon seit zwölf langen Jahren auf den politischen Punch. Sie hatten ihren "Oskar" verloren, der hier in Pachten aufgewachsen ist, und zuvor auch die Wahl 1999, seitdem sind die einst so stolzen Sozialdemokraten zur 25-Prozent-Partei geschrumpft. Das geht ans Gemüt, das muss ein Ende haben, das soll Heiko Maas jetzt richten. Jürgen Paschek, SPD-Ratsherr in Saarlouis, hat in der SZ ausgedrückt, was seine Freunde denken: "Wir haben jetzt die Chance, die Scharte von 2009 auszuwetzen, als uns die Grünen den sicher geglaubten Sieg vermasselt haben. Wir holen jetzt die Schlachtrösser aus dem Stall, um für Heiko Maas als Ministerpräsident zu kämpfen."

Maas geht aufs Podium und hat erst einmal ein Problem: Die Lautsprecheranlage spuckt nur dünne Töne aus, er muss richtig laut reden. "Spannende Tage und Wochen" sieht er voraus, erzählt dann von den Sondierungsgesprächen. Lange habe man geredet, wie ein Sanierungspfad aussehen könnte - doch von der Schuldenbremse spricht er nicht. Aber dass man "die Einnahmen stärken müsse", die Reichen zur Kasse bitten müsse, mit einer Vermögenssteuer, das sei klar. So ähnlich argumentiert Lafontaine, den er aber nicht erwähnt. Das Thema Rot-Rot ist tabu.

Dann kommt Maas zur Sache: Nach zwölf Jahren CDU hätten die Leute die Nase voll, sie wollten eine neue Regierung, und zwar unter Führung der SPD. Er sagt nicht: Ich will Ministerpräsident werden! Er sagt in allgemeiner Form: "Wir brauchen einen Neuanfang in diesem Land." Und: Die SPD muss die Nr. 1 werden! Und dann, als wäre ihm die ganze Entwicklung selbst nicht geheuer, kommt der Satz, der immensen Druck verrät: "Es wird alles nicht einfach werden." Die Leute klatschen trotzdem.

Sie haben verdrängt, wie es vorher war. Magere 24,5 Prozent hatte die SPD bei der Wahl 2009 ergattert, selbst die abgestürzte CDU hatte zehn Punkte mehr. Zwar hat "Jamaika" dafür gesorgt, dass die Bürger wieder nach links wandern, konnte die SPD beim letzten "Saarland Trend" im November gute 35 Prozent einfahren. Doch keiner weiß, ob das Hoch anhält. Was ist, wenn die Saarländer "es Annegret" plötzlich gut finden? Wenn sie honorieren, dass Kramp-Karrenbauer "ins Risiko gegangen" ist, als sie Schwarz-Gelb-Grün aufkündigte und dem alten roten Gegner schöne Augen machte? Wenn Heiko Maas zum dritten Mal nacheinander eine Wahl verliert - und die SPD abermals fünf Jahre lang die zweite Geige spielen muss?

Aber von solchen unangenehmen Dingen will an diesem Freitagabend niemand etwas wissen. Die Genossen sind seit langem mal wieder guter Dinge. "Heiko gewinnt", sagen sie durch die Bank, Skespis scheint verboten. Heide Lauer, die Mutter des Landratskandidaten, weiß auch warum: "Die Stimmung ist jetzt eine ganz andere." Auch Richard Maciejasz aus Dillingen ist sicher: "Es gibt ein Kopf-an-Kopf-Rennen - aber Heiko hat am Ende die Nase vorn." Auch Benedikt Loew prophezeit "mindestens Gleichstand" - um dann noch Lafontaine einen mitzugeben: "Oskar wird Stimmen verlieren."

Zum Schluss, nach dem Schweinskäsessen, kommt dann der (magische) Höhepunkt des Abends: Der junge Künstler Maxim Maurice aus Saarlouis verzaubert die Genossen, lässt Tische schweben, Ringe verschwinden, zeigt verblüffende Tricks. Und einer sagt dann, was viele denken: "Ach ja, wenn Heiko auch zaubern könnte - dann wäre die Wahl schon gewonnen!"

Hintergrund

Schweinskäs ist ein traditionelles Gericht aus dem Saarland. Die wichtigsten Bestandteile der Sülz-Speise sind (gesalzene) Schweinsfüße, Eisbein, Rindfleisch. Mit Suppengrün wird alles gekocht, die Brühe entfettet und geliert und zusammen mit dem von den Knochen gelösten Fleisch in Gefäße portioniert. Der "Pähter Schweinskäs" schmeckt schon deshalb gut, weil er nach einem "Geheimrezept" zubereitet wird. Die SPD in Dillingen lud gestern zum 27. Mal zu dieser Spezialität ein, gern mit einer politischen Botschaft. Die von gestern war klar: Wahlsieg! red

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort