Die Kanzlerin wankt nicht

Berlin. Angela Merkel trägt einen Hosenanzug in Schwarz. Zu Beginn ihrer Rede nennt sie die Namen der zuletzt gefallenen deutschen Soldaten, es wird noch einmal ganz still im Parlament, das bereits vorher der Toten in einer Schweigeminute gedacht hat. Merkel spricht ihr Mitgefühl aus. "Der Staat verlangt von seinen Soldaten viel, sehr viel", sagt sie eindringlich

 Mitunter eisern in ihrer Rhetorik: Merkel bei ihrer Regierungserklärung zu Afghanistan. Foto: dpa

Mitunter eisern in ihrer Rhetorik: Merkel bei ihrer Regierungserklärung zu Afghanistan. Foto: dpa

Berlin. Angela Merkel trägt einen Hosenanzug in Schwarz. Zu Beginn ihrer Rede nennt sie die Namen der zuletzt gefallenen deutschen Soldaten, es wird noch einmal ganz still im Parlament, das bereits vorher der Toten in einer Schweigeminute gedacht hat. Merkel spricht ihr Mitgefühl aus. "Der Staat verlangt von seinen Soldaten viel, sehr viel", sagt sie eindringlich. Jetzt wäre der Moment gekommen, am Sinn des Einsatzes zu zweifeln, zu wanken. Aber Merkel steht fest - klar und unmissverständlich spricht sie, mitunter eisern in ihrer Rhetorik.

Vielleicht ist es ihre schwerste Regierungserklärung, seit sie Kanzlerin ist. 43 deutsche Soldaten sind in neun Jahren am Hindukusch gefallen, sieben allein in den letzten drei Wochen. Das Wort "Krieg" geht den Regierenden so leicht wie noch nie über die Lippen. Bürger und Soldaten zweifeln und fragen, was die Truppe am Afghanistan noch zu suchen hat. Und am morgigen Samstag wird Merkel wieder an einer Trauerfeier für vier tote Bundeswehrangehörige teilnehmen. Mit ihr Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), diesmal auch Außenminister Guido Westerwelle, der seine Rede auf dem FDP-Parteitag extra auf den Sonntag verschoben hat. Die Soldaten hätten "den höchsten Preis" gezahlt, um ihre Mitbürger in Deutschland vor möglichen Terroranschlägen zu schützen, hebt die Regierungschefin hervor. Die politische Last, die bei solchen Sätzen auf Merkel liegt, ist spürbar. Sie versucht deshalb, die Bürde zu teilen.

Mit dem Parlament. "Wir können von unseren Soldaten nicht Tapferkeit erwarten, wenn uns selbst der Mut fehlt, uns zu dem zu bekennen, was wir beschlossen haben", betont Merkel. Dann zitiert sie Altkanzler Helmut Schmidt, die moralische Autorität, der im Juli 2008 vor Rekruten gesagt habe: "Dieser Staat wird euch nicht missbrauchen." Das werde "niemals" geschehen, verspricht sie. Merkel lehnt sich an US-Präsident Barack Obama an, der bei der Auszeichnung mit dem Friedenobelpreis Krieg zur Bewahrung des Friedens nicht ausgeschlossen habe. Und zu guter Letzt zitiert sie als Signal an die SPD deren ehemaligen Verteidigungsminister Peter Struck: "Deutschlands Sicherheit wird auch am Hindukusch verteidigt", sei sein "berühmter Satz" gewesen. Es klatschen nur wenige bei der SPD, dafür umso mehr bei Union und FDP. Wer daher "heute einen sofortigen Rückzug fordert, der handelt unverantwortlich", ergänzt Merkel.

Die Kanzlerin will keine "Kriegskanzlerin" sein, man merkt es, aber um die Sprache des Krieges kommt Merkel nicht herum. Mitunter wird einem flau im Magen, vor allem, wenn sie von "Tapferkeit" und "Mut" spricht, vom Erlebnis eines Soldaten, der im Kampf getötet hat - "er oder ich", gibt sie seine drastischen Worte wieder. SPD-Chef Sigmar Gabriel stört sich daran, dass die Regierung keine klare Haltung zum Begriff hat. Wer jetzt von Krieg spreche, so Gabriel, müsse sagen, ob der Schwerpunkt nicht mehr Ausbildung und Zivilaufbau sei. Eine Bundesregierung, die sich jedoch diesen Zielen verpflichtet fühle, "kann sich auf unsere Zustimmung verlassen", fügt er als Bedingung hinzu.

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