Verteidigung in eigener Sache

Locker steht er im Blitzlichtgewitter, die linke Hand in der Hosentasche. Die Atmosphäre im Kundus-Unterschungsausschuss wirkt entspannt, zumal der als Zeuge geladene Verteidigungsminister zu Beginn unter allgemeinem Gelächter aufgefordert wird, seinen "vollständigen Namen" zu sagen. Der nennt lieber nur drei seiner zehn Vornamen. Aber der Eindruck täuscht

Locker steht er im Blitzlichtgewitter, die linke Hand in der Hosentasche. Die Atmosphäre im Kundus-Unterschungsausschuss wirkt entspannt, zumal der als Zeuge geladene Verteidigungsminister zu Beginn unter allgemeinem Gelächter aufgefordert wird, seinen "vollständigen Namen" zu sagen. Der nennt lieber nur drei seiner zehn Vornamen. Aber der Eindruck täuscht. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg ist bis in die gegelten Haarspitzen konzentriert. Fast eineinhalb Stunden lang liest der CSU-Politiker aus einem 70 Seiten starken Manuskript vor, das er auch bei Nachfragen selten verlässt. Hinterher ist es wie immer: Nichts ist endgültig widerlegt. Aber auch nichts bewiesen. Für die Opposition ist das eher ein schlechtes Ergebnis. Ihre Angriffe prallen ab. SPD-Obmann Rainer Arnold sagt, im Raum stehe der Vorwurf, dass Guttenberg es mit der Wahrheitsliebe "nicht so genau" nehme. Warum habe er den Luftschlag der Bundeswehr vom 4. September 2009 auf die Taliban mit bis zu 142 Opfern am 6. November zuerst bei einer Pressekonferenz als angemessen bezeichnet und einen Monat später, am 3. Dezember, im Bundestag dann als militärisch nicht angemessen? Und warum habe er den verdienten Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, und seinen Staatssekretär Peter Wichert am 25. November gefeuert? Um von seiner eigenen Fehleinschätzung abzulenken, wie der Linke Abgeordnete Paul Schäfer meint? Als Bauernopfer? Guttenberg trägt seine Schilderung sehr ruhig vor, er verhaspelt sich kein einziges Mal. Aber manchmal wird seine Stimme energischer. Zum Beispiel bei diesem Wort Bauernopfer. Niemand diktiere ihm, zu wem er Vertrauen habe und zu wem nicht. Und zu diesen beiden Beamten habe er es nicht mehr gehabt, als er am 25. November erst aufgrund einer "Bild-Zeitung"-Recherche erfahren habe, dass es zum Kundus-Zwischenfall auch noch einen sehr kritischen Bericht der deutschen Feldjäger gab, der ihm bis dahin nicht bekannt war. Worte wie "vorenthalten" oder gar "unterschlagen" wiederholt der Minister hier nicht; sie hatten vor allem Schneiderhan auf die Palme gebracht. Dass er den Bombenabwurf in seiner ersten Pressekonferenz so vehement verteidigte, führt der CSU-Politiker auf eine "eindeutige und übereinstimmende Beratung" des von ihm im Herbst übernommenen Ministeriums zurück. Im Nachhinein habe sich herausgestellt, dass er darauf nicht hätte vertrauen sollen. "Dafür trage ich die politische Verantwortung". Aber dann, bei seiner Neubewertung im Dezember, habe er sich korrigiert, und dazu stehe er. "Erwarten wir von guten Politikern nicht alle, dass sie sich bisweilen korrigieren?" Der Feldjägerbericht, ein neu aufgetauchtes Video von dem Angriff, die Hinweise auf die zivilen Opfer, die Aussage des den Bombenbefehl gebenden Oberst Klein, die Taliban "vernichten" zu wollen, all das habe zu seiner Umbewertung beigetragen. Es sei ihm im Nachhinein völlig unverständlich, dass das Ministerium zu einem solchen gravierenden Zwischenfall nicht gleich eine eigene nationale Untersuchung durchgeführt habe, sondern sich auf die Nato verließ. Das werde sich künftig ändern. Dass es sein Vorgänger, Franz-Josef Jung (CDU), war, der eigene Untersuchungen nicht wollte und den Feldjägerbericht sogar ungelesen an die Nato weiterleitete, erwähnt zu Guttenberg nicht. Farnz-Josef Jung ist darüber gestolpert.

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