Bayern kehren CSU den Rücken

Das Hauptbeben sandte seine Vorbeben voraus. Schon zwei Stunden vor Schließung der Wahllokale verbreitete sich im Münchener Maximilianeum, dem Sitz des bayerischen Landtages, das Gerücht, dass die regierende CSU ganz fürchterlich abstürzen werde. Als dann um 18 Uhr die Prognose verbreitet wurde, machte sich dennoch ungläubiges Staunen breit: die CSU bei nur noch 43 Prozent

 In traditioneller Tracht ging es gestern für viele Bayern zur Landtagswahl. Foto: dpa

In traditioneller Tracht ging es gestern für viele Bayern zur Landtagswahl. Foto: dpa

Das Hauptbeben sandte seine Vorbeben voraus. Schon zwei Stunden vor Schließung der Wahllokale verbreitete sich im Münchener Maximilianeum, dem Sitz des bayerischen Landtages, das Gerücht, dass die regierende CSU ganz fürchterlich abstürzen werde. Als dann um 18 Uhr die Prognose verbreitet wurde, machte sich dennoch ungläubiges Staunen breit: die CSU bei nur noch 43 Prozent. "Das ist der größte anzunehmende Unfall", sagte JU-Chef Stefan Müller, der sich als einer der wenigen CSU-Politiker zu diesem Zeitpunkt aus der Deckung wagte.

Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter machte die historischen Dimensionen des 28. September 2008 in der jüngeren Geschichte des Freistaats Bayern deutlich: Für die CSU sei ein Zustand erreicht, als hätte es Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber nicht gegeben. 40 Minuten nach dem ersten Schock trat ein sichtlich gezaustes CSU-Führungstandem erstmals vor die Kameras und versuchte, den Deckel auf dem zu dieser Zeit längst brodelnden CSU-Vulkan zu halten. Das Wahlergebnis, versuchte Parteichef Erwin Huber eine Teilentlastung, sei die Folge von Ereignissen, "die sich über fünf Jahre erstrecken". Seine eigene Partei warnte der Chef vor "überstürzten voreiligen Beschlüssen". Über seine eigene Zukunft verlor er kein Wort.

Anders Ministerpräsident Günther Beckstein, der noch vor wenigen Tagen in einem Interview zu Protokoll gegeben hatte, er wolle nicht Chef einer Koalitionsregierung sein. "Ich stehe für eine Koalitionsregierung zur Verfügung", sagte der Nürnberger unmissverständlich. In diesen "sauren Apfel" werde die CSU wohl beißen müssen.

Die SPD, auch das machte Beckstein deutlich, ist dabei keineswegs sein Wunschpartner. Niemand könne aus den nochmaligen Verlusten für die Sozialdemokraten, die an der 19-Prozent-Grenze lagen, einen Regierungsauftrag ableiten. Genau das aber tat SPD-Spitzenkandidat Franz Maget. Eine Stunde nach Schließung der Wahllokale lud er die Grünen und die neuen Fraktionen der Freien Wähler und der FDP zu einem "Neuanfang", also zu einer Regierungsbildung ohne die CSU ein. Und richtete an FDP und Freie Wähler die Aufforderung, der CSU nicht die Hand zum Weiterregieren zu reichen.

Überhaupt waren die Sozialdemokraten an diesem Abend eine Nummer für sich: Obwohl sie das schlechte Ergebnis vom 2003 mit um die 19 Prozent sogar noch unterboten und damit einen neuen Nachkriegs-Negativrekord aufstellten, freute man sich im SPD-Quartier wie Schneekönige. Maget wurde mit Schulterklopfen wie ein Wahlsieger empfangen. Er freue sich sehr, bekannte der Spitzenkandidat. Zwar nicht über das eigene Ergebnis, sondern darüber, dass die CSU endlich die absolute Mehrheit verloren habe. "Der glaubt immer noch, dass er Ministerpräsident wird", raunte es aus der Menge aber auch skeptisch. Immerhin: Grünen-Spitzenkandidat Sepp Daxenberger wäre dafür. "Es gibt eine Mehrheit jenseits der CSU", stellte er fest: "Wir stehen zur Verfügung."

Die mutmaßlichen Ministerpräsidenten-Macher hatten die zukünftige Stätte ihres politischen Wirkens in freudiger Erwartung schon eine halbe Stunde vor Schließung der Wahllokale betreten: FDP-Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und der liberale Spitzenkandidat Martin Zeil wollten sich zu Koalitionen aber noch nicht äußern. Vor der Wahl hatte zumindest Zeil freilich klargemacht, dass er mit Grünen und SPD wenig am Hut hat. Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger platzte beinahe vor Zufriedenheit, dass seine Prognose, die Freien Wähler könnten sogar dritte Kraft werden, Wirklichkeit zu werden schien. Etwas einsam stand ein Häuflein Linker mit ihrem Oberbayern-Spitzenkandidat Fritz Schmalzbauer im "Steinernen Saal" des Maximilianeums herum: Die Zahlen für ihre Partei wollten sich einfach nicht über die Fünf-Prozent-Hürde bewegen. Ein Umstand, der insbesondere bei der SPD mit großer Befriedigung zur Kenntnis genommen wurde. Ansonsten hätten hessische Verhältnisse gedroht.

 In traditioneller Tracht ging es gestern für viele Bayern zur Landtagswahl. Foto: dpa

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