ISS-Kommandant „Astro-Alex“ auf neuer Weltraum-Mission

Baikonur · Der Countdown läuft: Morgen fliegt Alexander Gerst zum zweiten Mal zur Raumstation ISS. Jetzt als Kommandant. Das stimmt ihn nachdenklich.

 Unser Mann im Weltraum: Der Deutsche Astronaut Alexander Gerst schaut während seines ersten ISS-Aufenthalts 2014 zur Erde.

Unser Mann im Weltraum: Der Deutsche Astronaut Alexander Gerst schaut während seines ersten ISS-Aufenthalts 2014 zur Erde.

Foto: dpa/-

Alexander Gerst könnte aufgeregt sein, bevor er mit der unvorstellbaren Kraft von mehr als 20 Millionen PS zu seiner zweiten Weltraummission aufbricht. Doch der deutsche Astronaut mit dem Spitz- und Twitternamen „Astro_Alex“ wirkt abgeklärt und routiniert in den Tagen vor dem Start. „Ich weiß, was auf mich wartet“, sagt der Geophysiker, der aus Künzelsau in Baden-Württemberg stammt. Vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan twittert er: „Wenn man zum zweiten Mal in sein Raumschiff steigt, dann fühlt es sich schon ein wenig an wie zu Hause.“

Nur vier Jahre nach seinem ersten Aufenthalt auf der Internationalen Raumstation fliegt Gerst morgen wieder zur ISS. Für die Mission „Horizons“ (Horizonte) soll Deutschlands Mann im All ein halbes Jahr in der Schwerelosigkeit leben und forschen – auf dem Außenposten der Menschheit, der 400 Kilometer über der Erde seine Bahnen zieht. „Ich weiß schon, wie es sich anfühlt, da zu schlafen, zu essen, zur Toilette zu gehen“, sagt Gerst. Auch auf den Raketenflug zur ISS blickt der 42-jährige Astronaut der Europäischen Raumfahrtagentur Esa gelassen – dank der Erfahrung von seiner Mission „Blue Dot“ 2014.

Dabei gäbe es gerade beim Start Grund zur Nervosität, denn eine Sojus-Rakete gleicht einem Feuerstuhl. Wenn Gerst auf dem russischen Weltraumbahnhof in die enge Kapsel an der Spitze der Sojus steigt, sitzt er auf rund 77 Tonnen Treibstoff. In wenigen Minuten verbrannt, erzeuge die Rakete damit so viel Energie wie mehrere Kernkraftwerke im selben Zeitraum.

Das Gefühl beim Start beschreibt Gerst als „absolut großartig“. Doch man könne es nicht komplett genießen. „Es ist ja nicht so, dass wir in einem gemütlichen Sessel sitzen und uns fliegen lassen.“ Beim Start müssten laufend Systeme überprüft werden. „Man verwendet 90 Prozent seiner geistigen Kapazitäten auf die Operationen, und die restlichen zehn gönnt man sich, um aus dem Fenster zu schauen.“ Vom Flug 2014 habe er daher viele Details vergessen, gesteht Gerst. „Ich bin gespannt, ob ich es bei diesem Start hinkriege, ein bisschen mehr von meiner Umwelt mitzubekommen, weil es nicht mehr so neu ist.“ Doch als Co-Pilot der Sojus hat er diesmal mehr Verantwortung als damals, als er als einfacher Bordingenieur mitflog.

Gersts zweite Mission fällt in ein Jubiläumsjahr. Vor 40 Jahren flog der DDR-Kampfpilot Sigmund Jähn als erster Deutscher in den Kosmos. Der heute 81-Jährige startete im August 1978 mit einer Sojus, einem Vorvorgänger der aktuellen Version, und verbrachte fast acht Tage auf der sowjetischen Raumstation Saljut-6, einem Vorvorgänger der ISS.

Inzwischen ist Gerst der elfte deutsche Raumfahrer. Auf der ISS waren zwei Deutsche vor ihm, und auch er selbst war ja schon da. Dennoch wird diese Reise etwas Besonderes, denn Gerst darf als erster Deutscher für etwa drei Monate das Kommando übernehmen. Dies ist ein Privileg, das gewöhnlich die USA und Russland als Hauptzahler des Milliardenprojekts ISS beanspruchen.

Gerst hat schon 165 Tage im All verbracht. Nun sollen 188 Tage hinzukommen. Zweieinhalb Jahre hat der promovierte Vulkanologe beim Training für die Mission Nummer 56/57 im Raumanzug geschwitzt und Abläufe gebüffelt. Dutzende Experimente warten nun auf ihn im All.

Für seine Rolle als Kommandant habe er schon vorab vieles organisieren müssen, sagt er. Zwischen Moskau, Houston und Köln pendelten Gerst und seine Team-Kollegen, der russische Kampfpilot Sergej Prokopjew (43) und die US-Ärztin Serena Auñón-Chancellor (42). Das schweißt zusammen. „Wir haben das Winter-Überlebenstraining zusammen verbracht, bei minus 20 Grad im Wald, ohne Zelt, ohne Schlafsack. Da lernt man sich kennen“, sagt Gerst. „Mein Ziel ist es, dass wir alle als Freunde wieder landen“, sagte er in Moskau.

„Commander Gerst“ ist der Popstar in der Crew. Der charismatische Glatzkopf ist mit seiner offenen Art und seinem fließenden Russisch auch in Moskau beliebt. Dabei ist Gerst eigentlich ein eher nachdenklicher Mensch. Wenn man von der ISS auf die Erde herabblicke, verstehe man plötzlich, dass das nur eine kleine Steinkugel ist, sagt er. „Die Frage ist, wie wir Menschen es anstellen, dass wir die Erde bewohnbar halten. Letztlich denkt man schon ein bisschen anders drüber, was man da unten alles hat, gerade wenn man sieht, in welchem schwarzen Nichts sich die Erde bewegt.“

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