Russland wappnet sich gegen Krawalle Angst vor Gewalt bei der Fußball-WM
Moskau · Vor zwei Jahren lieferten sich englische und russische Hooligans bei der EM wüste Schlägereien. Solche Szenen will man in Moskau bei der Heim-WM unbedingt vermeiden – und hat sich deshalb vorbereitet.
Ein modernes, weltoffenes Land – so will sich Russland bei der Fußball-Weltmeisterschaft vom 14. Juni bis zum 15. Juli präsentieren. Das größte Land der Erde ist erstmals Gastgeber. „Bei uns im Land gibt es sechs Millionen Menschen, die Fußball spielen, und viele mehr, die ihn lieben“, sagt Präsident Wladimir Putin. Für ihn soll die WM die Bedeutung Russlands auf der sportlichen und politischen Weltbühne unterstreichen.
Doch eine größere Rolle, als es den Russen womöglich lieb ist, wird in den vier Fußballwochen das Thema Sicherheit spielen. Szenen wie bei der EM in Frankreich vor zwei Jahren sollen sich nicht wiederholen: Englische und russische Hooligans fielen damals in Massenschlägereien übereinander her. In Russland war man sogar ein bisschen stolz auf die Jungs. Nun ist Moskau aber Gastgeber und trägt Verantwortung. Putin sprach der Polizeiführung daher ins Gewissen: „Von der Gründlichkeit Ihrer Arbeit hängt das Image des Landes ab“, mahnte er.
Beim Confederations Cup im vergangenen Jahr haben die Behörden mögliche Fan-Gewalt noch wirkungsvoll unterbunden. Das soll nun auch bei der WM gelingen: Zehntausende Kameras werden den Fans „auf den Fersen folgen“. Die eigenen Hooligans hat Moskau inzwischen unschädlich gemacht – behaupten zumindest Kenner der Szene. So wird dem berüchtigten Hooligan-Anführer Alexander Schprygin gerade der Prozess gemacht. Er erhielt Stadionverbot. Die WM ist für ihn wie für viele andere bereits im Vorfeld gelaufen. Gefahr könnte auch wieder von englischen Gewalttätern ausgehen: Die drohten den Russen bereits mit einem „vierten und fünften Weltkrieg“, wie das Boulevardblatt Daily Star berichtete. „Soll der Gegner mit Messern und Baseballschlägern vorgehen, uns Briten reichen die Fäuste“, prahlte ein Hooligan von der Insel. Für solche Fälle wird die russische Nationalgarde mit neuen Elektroschockern ausgestattet. Sie sollen noch rechtzeitig ausgeliefert werden, bevor sich entscheidet, ob die englische Elf ins Achtelfinale einzieht. Auch die sozialen Medien wollen die Sicherheitskräfte überwachen: „Es wird eigens Einheiten geben, die eine Art Monitoring durchführen und schauen, was in bestimmten Foren und Blogs geschrieben wird“, kündigte Fifa-Sicherheitschef Helmut Spahn gegenüber der „Welt am Sonntag“ an.
Kein Grund zur Sorge sieht der russischen Botschafter in Berlin, Sergej Netschajew: „Normalerweise kümmern wir uns sehr um die Sicherheit, und ich bin absolut sicher, dass die Maßnahmen, die ergriffen werden, während der Austragung der Spiele sehr zuverlässig sein werden.“
Die Verbote bei der WM fallen schärfer aus als noch bei den Olympischen Spielen in Sotschi, meinen russische Beobachter. Im Umkreis der Spielstätten wird auch der Verkauf von Alkohol untersagt. Wegen Waldbrandgefahr wurde in einigen Spielorten das Grillen unter freiem Himmel verboten. Einige Industriebetriebe mit Schadstoffentwicklung müssen zudem für die WM den Betrieb einstellen.
Die Sicherheitskräfte werden auch sehr auf der Hut sein vor Terroranschlägen. In Sotschi gab es in der Hinsicht keine Zwischenfälle. Dass die Wettbewerbe in einem Hochsicherheitstrakt stattfanden, nahmen die meisten Besucher damals gar nicht wahr. Das wird sich auch bei der Fußball-WM nicht ändern. Doch die Gefahrenlage hat sich seitdem verändert: Militante Rückkehrer aus Syrien seien zum Angriff bereit, meint Chris Hawkins. Hintergrund sei Russlands militärische Intervention im Nahen Osten und die Niederlage der Terrormiliz IS in Syrien. Von dort kehrten vermehrt russische Dschihadisten zurück – vor allem in den Kaukasus. Je näher der WM-Beginn rückt, desto häufiger ruft der IS zu Anschlägen auf. Überdies kursieren im Netz Videos, in denen Gotteskrieger vor russischen Stadien mit Maschinenpistolen posieren. Auch das BKA geht von einer hohen Terrorgefahr durch Islamisten aus.
Wie viele Polizisten, Militärs, Nationalgardisten und Geheimdienstler im Einsatz sein werden, bleibt ein Geheimnis. Es dürften aber mehrere Hunderttausend sein. Allein das Katastrophenschutzministerium stellt 40 000 Kräfte ab, private Sicherheitsdienste weitere 14 000.