Assads Parlament der Claqueure

Damaskus · Syriens Präsident Assad muss derzeit nicht um die Macht fürchten. Seine Truppen haben an Boden gewonnen; die Friedensgespräche liegen brach. Das Parlament hat er ohnehin fest in der Hand.

Syriens Regime besitzt einige Erfahrung darin, der Welt nach außen hin Normalität vorzuspielen. Auch die erste Sitzung des vor rund zwei Monaten gewählten Parlaments inszenierten die Mächtigen in Damaskus und ihre Helfershelfer so, als sei in dem Bürgerkriegsland alles in Ordnung. Und als funktioniere die Demokratie in der "Arabischen Republik Syrien" einwandfrei. Ein Parlamentarier nach dem anderen trat gestern im Abgeordnetenhaus ans Rednerpult und leistete seinen Amtseid: "Ich schwöre im Namen Gottes, dass ich die Verfassung des Landes und seine Gesetze respektiere (...) und die Interessen des Volks und seine Freiheit hüte", sprachen die 250 Mitte April gewählten Kandidaten einzeln ins Mikrofon. Regimegegnern muss jedes einzelne Wort wie blanker Hohn vorgekommen sein.

Denn in anderen Teilen des Landes gehen die Kämpfe weiter. Bei einem Luftangriff auf einen Markt im Osten starben mindestens 17 Zivilisten. Aktivisten machten syrische und russische Jets dafür verantwortlich. Erst am Sonntag waren in der umkämpften nordsyrischen Stadt Aleppo dutzende Menschen ums Leben gekommen, darunter laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte allein 37 Zivilisten durch Luftangriffe der syrischen Armee .

Im Parlament spielten diese Opfer praktisch keine Rolle. Wie schon früher hatte das Regime dafür gesorgt, dass die regierende Baath-Partei das Haus dominiert. Auch die wenigen unabhängigen Vertreter stehen in dem Ruf, Präsident Baschar al-Assad nur als Claqueure zu dienen. Die Wahlen waren alles andere als frei und fair. Ihre Stimme konnten die Syrer etwa nur in Gebieten abgeben, die unter Kontrolle regierungstreuer Kräfte standen.

So liegt die Bedeutung der ersten Sitzung des Parlaments vor allem darin, dass Assad damit der Welt seine Macht demonstriert. Tatsächlich hat sich die Lage in Syrien seit Anfang des Jahres zu Gunsten des Regimes verändert. Vor allem mit Hilfe der russischen Luftwaffe, aber auch mit Unterstützung aus dem Iran machten Assads Kräfte zuletzt Boden gut, nicht zuletzt gegen die Terrormiliz IS. In einem prestigeträchtigen Sieg konnte die Armee den Extremisten etwa die historische Oasenstadt Palmyra entreißen. Zudem geraten die gemäßigteren Rebellen immer mehr unter Druck. Die von ihnen gehaltenen Viertel der Stadt Aleppo laufen akut Gefahr, von der Außenwelt abgeschnitten zu werden. Nördlich der Metropole schrumpfte ihre Macht auf kleine Gebiete. So schwinden auch die Aussichten, dass die ausgesetzten Genfer Friedensgespräche bald wieder aufgenommen werden. Die Regimegegner waren zuletzt von dort verärgert abgereist, als die Gewalt trotz des seit Februar geltenden Waffenstillstands erneut eskalierte. Die Delegation des Regimes wiederum machte durch ihr Verhalten in den Genfer Gesprächen deutlich, dass sie wenig Interesse an Verhandlungen über eine politische Lösung hat - zu stark scheint sich Assad zu fühlen.

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