Arbeitsplätze statt roter Fahnen

Frankfurt/Main. Vom Daimler-Vorstandsvorsitzenden bis zum SPD-Chef sind alle voll des Lobes: Selten hat ein Tarifabschluss derartige Zustimmung gefunden wie die Einigung in der Metall- und Elektroindustrie nach dem Verhandlungsmarathon von Düsseldorf

Frankfurt/Main. Vom Daimler-Vorstandsvorsitzenden bis zum SPD-Chef sind alle voll des Lobes: Selten hat ein Tarifabschluss derartige Zustimmung gefunden wie die Einigung in der Metall- und Elektroindustrie nach dem Verhandlungsmarathon von Düsseldorf.

Auch Volkswirte und Tarifexperten halten die komplexe Mischung aus Arbeitszeitverkürzung, moderatem Entgeltplus und dem Anzapfen öffentlicher Kassen für eine geeignete Brücke in den dringend erwarteten Aufschwung. Die einstmals ineinander verbissenen Tarifparteien haben ihren Instrumentenkasten erweitert und gleichzeitig die Politik geschickt in Zugzwang gebracht. Für die Schlichtung im Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes könnte der Abschluss deutliche Folgen haben.

"Keine Entlassungen in der Krise" - mit diesem Slogan war die IG Metall unter Berthold Huber in die wohl schwierigsten Verhandlungen ihrer Geschichte gegangen. Mehr noch als die Arbeitgeber verzichtete die Gewerkschaft auf die üblichen Rituale - mit Ausnahme der Einigung im frühen Morgengrauen.

Erstmals verzichtete die IG Metall auf eine konkrete Entgeltforderung und verhandelte zudem über einen noch nicht einmal gekündigten Vertrag - auch dies ein Novum in der Tarifgeschichte. Das übliche Warnstreik-Muskelspiel mit Trillerpfeifen, brennenden Ölfässern und roten Fahnen fiel im Krisenjahr gleich ganz aus.

"Dieser Tarifvertrag setzt alles daran, Beschäftigung zu sichern und eine Brücke in den Aufschwung zu bauen", lobt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer das Ergebnis. "Die verabredete tarifliche Kurzarbeit ist ein mächtiges Instrument, mit der die Arbeitszeit um 20 Prozent gesenkt werden kann." Die Produktion in Deutschland werde erneut ein Stück flexibler und die Unternehmen blieben bei ihrer Strategie, die Facharbeiter zu halten, erklärt Krämer. "2009 ist das Bruttoinlandsprodukt um fünf Prozent geschrumpft, die Arbeitszeit je Kopf aber nur um drei Prozent. Den Rest haben die Unternehmen als Produktivitätsrückgang hingenommen."

Volkswirt Hagen Lesch vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft lobt Huber für seinen "gesunden Pragmatismus". Mit ihren Verabredungen zur tariflichen Kurzarbeit hätten die Tarifparteien das Signal gesendet, dass sie die Kurzarbeit länger nutzen und die Kosten senken wollen. "Damit haben sie die Politik moralisch unter Druck gesetzt, ihrerseits noch mehr für die Ausgestaltung der Kurzarbeit zu tun."

Im Einzelnen erwarten die Metaller von der Bundesregierung, den Teillohnausgleich beim tariflichen Kurzarbeitergeld abgabenfrei zu stellen und die Arbeitgeber von Sozialabgaben zu entlasten.

Auch in Berlin stößt die Tarifeinigung in der Metall- und Elektroindustrie im Grundsatz auf offene Ohren: Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU, Foto: ddp) sagte der "Financial Times Deutschland", sie halte den Abschluss für angemessen, weil er auf Beschäftigung und den Erhalt von Arbeitsplätzen setze. Dem Bericht zufolge signalisierte die CDU-Politikerin Entgegenkommen bei der Forderung der Metall-Arbeitgeber, dass die Politik die Sozialbeiträge bei der gesetzlichen Kurzarbeit auch über Ende 2010 hinaus übernehmen solle. Es müsse über eine Ausstiegsstrategie nachgedacht werden. "Das kann man nicht mit dem Fallbeil machen", sagte von der Leyen der Zeitung.

In einer Mitteilung des Arbeitsministeriums hieß es, ob über das Jahresende 2010 hinaus die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge beim konjunkturellen Kurzarbeitergeld verlängert werde und in welcher Form und Höhe, stehe noch nicht fest. "Das kann man nicht mit dem Fallbeil machen"

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU)

 IG-Metall-Vorsitzender Berthold Huber (links) und Gesamtmetallpräsident Martin Kannegiesser wurden sich schnell einig. Foto: dpa

IG-Metall-Vorsitzender Berthold Huber (links) und Gesamtmetallpräsident Martin Kannegiesser wurden sich schnell einig. Foto: dpa

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