Abgang per E-Mail Was müssen sich Mitarbeiter, was ihre Chefs gefallen lassen?

Berlin. Die Entscheidung war am Ende nur konsequent. Wo man in Berlin hinhörte, wurde einem immer wieder bedeutet: "Der muss gehen. Wie will er noch für Schäuble sprechen?" Auch Michael Offer wird dies bewusst geworden sein

Berlin. Die Entscheidung war am Ende nur konsequent. Wo man in Berlin hinhörte, wurde einem immer wieder bedeutet: "Der muss gehen. Wie will er noch für Schäuble sprechen?" Auch Michael Offer wird dies bewusst geworden sein. Zwar soll er kurz nach der öffentlichen Demütigung durch den Bundesfinanzminister über 100 SMS erhalten haben, mit Zuspruch von Sprecher-Kollegen oder Aufmunterungen von Journalisten. Gestern schmiss er jedoch die Brocken hin.

In einer E-Mail an Wolfgang Schäuble und die Staatssekretäre des Ministeriums schrieb er, nach einem Gespräch mit dem Minister sei ihm deutlich geworden, dass er leider nicht das volle Vertrauen Schäubles bei der Ausübung seiner Funktion als Pressesprecher habe: "Ich erkläre daher meinen Rücktritt als Ihr Sprecher und bitte um Zuweisung einer neuen Aufgabe." Schäuble erklärte danach, er habe Offers Wunsch entsprochen und ihn von seiner Funktion entbunden. Er dankte ihm "für seinen unermüdlichen Einsatz und seine Loyalität". Für den Minister ist die Angelegenheit damit erledigt. Schäuble habe sich "erschöpfend erklärt", wehrte das Ministerium Nachfragen ab.

Längst ist der Fall Offer aber auch zum Fall Schäuble geworden. Die Empörung über den rüden Umgang mit einem engen Mitarbeiter und die öffentliche Bloßstellung auf der inzwischen im Internet hunderttausendfach angeklickten Pressekonferenz will nicht abebben. "Das macht man nicht", so ein Parteifreund Schäubles gestern zur Saarbrücker Zeitung. Der Vorgang könne den Ruf des gesundheitlich angeschlagenen Ministers nachhaltig beschädigen. Wer sich so in aller Öffentlichkeit benehme, belege zudem, dass er offenkundig "überarbeitet ist", meinte ein anderer. Die Opposition sieht in dem Eklat sogar einen Beleg für den schlechten Zustand der schwarz-gelben Bundesregierung: "Der Vorfall zeigt, wie sehr der Minister unter Druck steht", sagte der Haushaltsexperte der Grünen, Alexander Bonde, unserer Zeitung.

"Allergrößte Nervosität"

"Offenbar hinterlassen die Rekordverschuldung und die für Lobbygeschenke anfällige Koalition ihre Spuren beim Minister", meinte Bonde. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier schlug in die gleiche Kerbe: Einiges spreche dafür, "dass in der Regierung und beim Finanzminister höchstpersönlich die allergrößte Nervosität herrscht".

Zweifel, ob der 67-Jährige seiner Aufgabe noch gewachsen ist, waren zuletzt häufiger laut geworden - stets klang noch etwas Bewunderung mit über Schäubles Härte zu sich selbst. Die droht jetzt zu verschwinden. Führende Koalitionäre versuchten gestern zu retten, was zu retten ist. Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier, nahm ihn in Schutz. Er selbst sei Staatssekretär Schäubles gewesen. Die Umgangsformen hätten sich wohltuend von dem abgehoben, was bisweilen von anderen Ministern berichtet worden sei. Saarbrücken. Was müssen sich Arbeitnehmer gefallen lassen? Deutschlands Arbeitsgerichte haben über diese Problematik vielfach zu entscheiden gehabt. Drei Beispiele:

Nicht jedem Mobbing-Opfer steht Schmerzensgeld zu: Auch wenn ein Arbeitnehmer ständigen psychischen Beeinträchtigungen ausgesetzt ist und er deswegen erkrankt, steht ihm nicht unbedingt Schmerzensgeld zu, wenn er die Attacken nicht minutiös nachweisen kann und außerdem vor den behaupteten Mobbing-Aktionen bereits psychische Probleme hatte (AZ: 15 Ca 787/08).

Einer unberechtigten Strafanzeige kann die Kündigung folgen: Stellt ein Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber nach einer verbalen Auseinandersetzung Strafanzeige, obwohl der Streit mit dem Chef "ohne jede strafrechtliche Relevanz" stattgefunden hat, so kann ihm fristlos gekündigt werden (LAG Rheinland-Pfalz, 7 Sa 451/07).

Mit dem Chef ist man nicht unter seinesgleichen: Ein Arbeitnehmer kann ohne Abmahnung entlassen werden, wenn er seinen Vorgesetzten im Rahmen eines Personalgesprächs "Idiot" und "Depp" nennt (ArG Frankfurt, 15 Ca 8848/03). wbü

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