Seehofer stellt Rente mit 67 in Frage

Berlin. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer hat die Rente mit 67 zu ihrem Start wegen der nach wie vor unbefriedigenden Beschäftigungssituation Älterer erneut in Frage gestellt. "Die Beschäftigungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer über 50 in Deutschland müssen spürbar verbessert werden

Berlin. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer hat die Rente mit 67 zu ihrem Start wegen der nach wie vor unbefriedigenden Beschäftigungssituation Älterer erneut in Frage gestellt. "Die Beschäftigungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer über 50 in Deutschland müssen spürbar verbessert werden. Sonst wird die Verlängerung der Lebensarbeitszeit zur faktischen Rentenkürzung", sagte der bayerische Ministerpräsident der "Bild am Sonntag". "Das bisher Erreichte genügt da nicht. Wenn sich das nicht ändert, werden wir über diese Frage eine breite öffentliche Debatte führen müssen. Mit mir ist eine massenhafte Rentenkürzung nicht zu machen."Fast wortgleich hatte sich Seehofer bereits im Oktober 2010 geäußert. Er zog sich seinerzeit auch Kritik aus den Reihen der Union zu. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekräftigte, dass die Rente mit 67 umgesetzt werde. Die stufenweise Einführung begann mit dem Neujahrstag und soll 2029 abgeschlossen sein. Dann gibt es die Rente ohne Abschläge im Regelfall nur noch mit 67 Jahren, bislang lag die Grenze bei 65 Jahren. Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn ließ Seehofers Einwand nicht gelten und sprach von "ständig wiederkehrendem Sozialpopulismus". Erst 2029 würden Arbeitnehmer mit 67 in Rente gehen, auf dem Arbeitsmarkt werde es dann ganz anders aussehen.

Linke-Chef Klaus Ernst kritisierte den CSU-Chef scharf: "Dass er in dem Moment, da die Erhöhung des Renteneintrittsalters wirksam wird, die Voraussetzungen dafür als nicht gegeben ansieht, zeigt die ganze politische Verkommenheit dieser Koalition der Rentenräuber und ihrer Vorgängerin." Seehofer versuche sich jetzt nach der Haltet-den-Dieb-Methode aus der Verantwortung zu stehlen. "Noch im Dezember hat die CSU mit allen anderen Fraktionen den Antrag der Linken abgelehnt, die Einführung der Rente ab 67 zu stoppen."

Auch der Präsident des Sozialverbands Deutschland, Adolf Bauer, nannte die Rente mit 67 ein Rentenkürzungsprogramm. Seiner Ansicht nach wird die Euro-Schuldenkrise die Rahmenbedingungen für den Kampf gegen die Armut weiter verschlechtern. Bedrohlichere Formen werde insbesondere die Altersarmut annehmen. Rentnerhaushalte hätten bereits in den vergangenen Jahren real stark an Einkommen verloren.

Der SPD-Abgeordnete Garrelt Duin bezog sich auf die Debatte über ältere Erwerbslose, die in der Arbeitslosenstatistik des Bundes nicht erfasst werden: Die neuen Zahlen belegen, dass die Zeit für die Rente mit 67 noch nicht reif ist, sagte er der "Bild"-Zeitung. dpa/dapd

Meinung

Auf der Welle

des Populismus

Von SZ-KorrespondentStefan Vetter

Seehofers Äußerungen sind gelinde gesagt erstaunlich. Das Gesetz zur Rente mit 67 wurde vor fünf Jahren verabschiedet. Damals regierte in Berlin eine große Koalition, an der auch die CSU beteiligt war. So drängt sich der Verdacht auf, dass der CSU-Chef nur auf der populistischen Welle mitsurfen will. Ja, es stimmt: Die Beschäftigungsquote bei Älteren ist unbefriedigend. Das ändert aber nichts an der Richtigkeit des politischen Langzeit-Projekts. Schon in zwei Jahrzehnten wird fast jeder dritte Bundesbürger über 65 Jahre alt sein. Wenn die Renten auch in Zukunft bezahlbar bleiben sollen, ist eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit unausweichlich. Und da am Arbeitsmarkt immer weniger Jüngere zu finden sein werden, ist auch eine Verbesserung der Beschäftigungschancen für Ältere programmiert.

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