Schlammschlacht ums Präsidentenamt

Wien · Wenn zwei Bewerber um das Amt des österreichischen Bundespräsidenten in den Ring steigen, sollte man eine von Kompetenz, Sachlichkeit und Würde geprägte Diskussion erwarten. Es kam anders.

 Alexander Van der Bellen (links) und Norbert Hofer lieferten sich einen Schlagabtausch auf „Kindergarten-Niveau“, wie ein Politikexperte danach urteilte. Foto: Niesner/dpa

Alexander Van der Bellen (links) und Norbert Hofer lieferten sich einen Schlagabtausch auf „Kindergarten-Niveau“, wie ein Politikexperte danach urteilte. Foto: Niesner/dpa

Foto: Niesner/dpa

"Wir versprechen, dass wir uns gut benehmen werden." Die Auftaktworte des FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer erwiesen sich schnell als Schall und Rauch. Im Rennen um das höchste Amt in Österreich lieferten sich der Rechtspopulist Hofer (45) und Alexander Van der Bellen (72) von den Grünen in einem TV-Duell am Sonntagabend eine Schlammschlacht. Worte wie "Schweinerei" und "Lügner" fielen. Das Boulevard-Blatt "Kronen Zeitung" sprach von einer "unwürdigen Farce". Kurz vor der Stichwahl um das Amt des Bundespräsidenten am 22. Mai sehen Politikberater gar "das Amt beschädigt."

Das TV-Duell fand unter ungewöhnlichen Bedingungen statt: Der Privatsender ATV hatte eine Idee von vor 30 Jahren wieder ausgegraben, den beiden Kandidaten 45 Minuten Live-Debatte ohne Moderator und ohne Vorgaben zu gönnen. Das Motto: "inhaltliche Debatte pur".

Der Beginn war noch staatstragend. Van der Bellen sprach von einer Richtungsentscheidung: Die Bürger hätten die Wahl zwischen seinem "kooperativen Stil" und dem "autoritären Stil" des Rechtspopulisten . Hofer konterte, er werde einfach ein Präsident sein, "der auf das Land aufpasst." Der 45-Jährige wirbt in seiner Kampagne mit einem neuen Amtsverständnis des Bundespräsidenten.

Doch als Hofer sich gegen die "Befehle aus Brüssel" verwahrt - EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte sich zugunsten von Van der Bellen ausgesprochen -, geht es mit dem Niveau bergab. Ex-Grünen-Chef Van der Bellen fragt bohrend nach, welche ausländischen Politiker sich für Hofer ausgesprochen hätten.

Dieser kontert mit dem Vorwurf, der 72-jährige Wirtschaftsprofessor sei ein "Lebensverlängerer des Systems" und ein Kandidat der Schickeria. Zu den Anhängern des Grünen gehöre auch der Rapper Nazar, der die Republik schon mal beleidige. "Sie haben meine Frage nicht beantwortet", unterbricht Van der Bellen seinen Konkurrenten und zeigt einen Anflug der "Scheibenwischer"-Geste, die so viel besagt wie "Du bist doch bescheuert". Darauf Hofer: "Reden Sie mit einer Flasche, die redet nicht zurück." "Ich bin dran", fordert Van der Bellen, der seine erkämpfte Redezeit dazu nützt, einen FPÖ-Vizebürgermeister zu zitieren, der die Wähler des Grünen als "gehirnamputiert" verunglimpft habe. Darauf regt sich Hofer über die Zerstörung seiner Plakatständer auf.

Wohlgemerkt: Es handelt sich um zwei Kandidaten, die sich in einer von Rekordarbeitslosigkeit, niedrigem Wirtschaftswachstum und großen sozialen Sorgen geprägten Republik um das höchste Amt im Staat bewerben. "Das war Kindergarten-Niveau", urteilt Politberater Thomas Hofer. Sein Kollege Peter Hajek meint, hätte die Diskussion vor der ersten Runde der Bundespräsidentenwahl stattgefunden, wäre die unabhängige Top-Juristin Irmgard Griss als Siegerin hervorgegangen. Sie war mit 19 Prozent knapp an der Stichwahl gescheitert.

Angesichts dieses Auftritts scheint ein Ziel beider Kandidaten, nämlich die rot-schwarze Koalition gegebenenfalls zur Ordnung zu rufen, schwerer denn je vorstellbar. An deren Spitze wird von heute an der neue Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ ) stehen, der zumindest laut Vorschusslorbeeren und Lebenslauf für Format bürgt. Hofer wie Van der Bellen haben am 19. Mai noch einmal eine Chance zur Diskussion - diesmal im öffentlich-rechtlichen ORF und mit Moderator.

Meinung:

Armes Österreich

Von SZ-Redakteur Volker Meyer zu Tittingdorf

Das TV-Experiment ist gelungen. Es offenbarte die Wahrheit über die Kandidaten: Sie entlarvten sich als unfähig und unwürdig für das höchste Staatsamt. Rechtspopulist Norbert Hofer leistete sich ein Gequatsche, dass er jedem Österreicher nur noch peinlich sein kann. Und sein Rivale Van der Bellen, der als Vertreter einer gemäßigten Politik antritt, machte es keineswegs besser. Er blamierte die politische Klasse. Auf diesem Niveau kann man Rechtspopulisten nicht beikommen. Ein schwacher Trost, dass Hofer sich selbst demontierte. Eigentlich sollte der Wahlprozess nochmals von vorn beginnen - mit neuen besseren Kandidaten. Doch einer der beiden wird am Sonntag zum Präsidenten gewählt. Armes Österreich.

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