FPÖ steht vor einem großen Coup

Wien · Zu einer richtigen Entschuldigung wollte sich keiner der beiden Kandidaten durchringen. Im letzten TV-Duell vor der Wahl des Bundespräsidenten in Österreich raffte sich der von den Grünen unterstützte Alexander van der Bellen mit Blick auf die vorangegangene, völlig aus dem Ruder gelaufene Fernseh-Debatte nur zu dem Bekenntnis auf: "Das nächste Mal würde ich das nicht mehr machen." Sein Kontrahent Norbert Hofer von der rechtspopulistischen FPÖ hält dagegen: "Politiker müssen Feuer in sich tragen." In dem TV-Duell ohne Moderator hatten sich die Rivalen noch übel beschimpft. Bei der nun letzten Sendung am Donnerstag, die moderiert wurde, gaben sich beide kurz vor der historischen Wahl staatstragend.

An diesem Sonntag stehen sich erstmals im Rennen um das höchste Amt in Österreich "Grün" und "Blau" - die Parteifarbe der FPÖ - gegenüber. Während der 45-jährige Hofer bei der ersten Runde der Präsidentenwahl am 24. April bereits 35,1 Prozent einfuhr, muss sich der 72-jährige Wirtschaftsprofessor van der Bellen nach 21,3 Prozent wesentlich mehr anstrengen, weitere Wähler zu gewinnen. Hofer geht als Favorit ins Rennen. Die letzte Umfrage vom 12. Mai wies ein Verhältnis von 53 Prozent zu 47 Prozent zu seinen Gunsten aus. Den 45-Jährigen scheint nur ein sehr schmaler Graben vom Einzug in die Hofburg zu trennen. Es wäre europaweit einer der bis dato größten Coups der Rechtspopulisten.

6,4 Millionen Wähler können am Sonntag bestimmen, wer das höchste Amt in der Alpenrepublik für die nächsten sechs Jahre bekleidet. Amtsinhaber Heinz Fischer scheidet nach zwölf Jahren verfassungsgemäß aus.

Die Strategie des als besonnen und bedächtig geltenden grünen Professors van der Bellen ist der Kampf um die Nichtwähler und die Unentschlossenen. "Jeder, der mich nicht leiden kann, aber Hofer vielleicht noch weniger leiden kann, den bitte ich, zur Wahl zu gehen und am 22. Mai ein Auge zuzudrücken", sagte er wiederholt. Die Wahl wird auf jeden Fall einen besonderen Platz in den Geschichtsbüchern zumindest in Österreich bekommen. Erstmals hat es kein Kandidat von sozialdemokratischer SPÖ und konservativer ÖVP in die Stichwahl geschafft. Ein Umstand, über den der Kanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann ein paar Tage später sogar stürzte. Aufgrund der jüngsten politischen Turbulenzen wird es besonders spannend. Der Rücktritt Faymanns und die neue Kanzlerschaft des Machertypen Christian Kern (SPÖ ) könnten manchen Protestwähler nun zögern lassen. "Der Anteil der Protestwähler bei der ersten Runde war ungewöhnlich hoch", sagt der Chef des Meinungsforschungsinstituts OGM, Wolfgang Bachmayer. Ob der zuletzt bissige und beleidigende Lagerwahlkampf zwischen Grün und Blau wirklich die Wähler mobilisieren kann, ist unklar. "Der hat möglicherweise Wähler abgeschreckt, die ohnehin nicht mit ganzem Herzen und mit zugehaltener Nase das kleinere Übel wählen wollten", meint Bachmayer.

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