Psychodrama um Parteivorsitz

Paris. Die größte französische Oppositionspartei UMP erwachte gestern mit zwei selbst erklärten Präsidenten, vor allem aber einem gewaltigen Problem: Der Machtkampf um den Parteivorsitz zwischen Ex-Premierminister François Fillon und dem bisherigen Generalsekretär Jean-François Copé hatte sich zu einem Fiasko entwickelt, das das Ausmaß der Spaltung der Partei offenlegte

Paris. Die größte französische Oppositionspartei UMP erwachte gestern mit zwei selbst erklärten Präsidenten, vor allem aber einem gewaltigen Problem: Der Machtkampf um den Parteivorsitz zwischen Ex-Premierminister François Fillon und dem bisherigen Generalsekretär Jean-François Copé hatte sich zu einem Fiasko entwickelt, das das Ausmaß der Spaltung der Partei offenlegte. Die Präsidentschaftswahl 2017 im Blick, wollten sich beide in die Spitzenposition bringen.Doch der Ausgang der Urabstimmung am Sonntag war denkbar knapp und die parteiinterne Wahlkommission nicht in der Lage, den neuen Parteichef zu verkünden. Also taten diese es selbst - jeder für sich. Nachdem sich Copé am Sonntagabend mit einem Vorsprung von 1058 Stimmen zum Gewinner erklärt hatte, zog Fillon nur Minuten später nach mit der Ankündigung seines Sieges mit 224 Mehr-Stimmen : "Auf dem Spiel steht die Ehre unserer politischen Familie." Am späten Montagabend erst meldeten die Nachrichten-Agenturen Copé als offiziellen Sieger. Fillon unterlag mit 49,97 zu 50,03 Prozent der Stimmen.

Sechs Monate nach der Wahlniederlage Nicolas Sarkozys gab die UMP das Bild einer Partei ab, die vor lauter personeller Querelen unfähig zur inhaltlichen Debatte ist. Beide Lager warfen einander Wahlbetrug vor. Die Medien sprachen von einem "absurden" Schauspiel. Im Laufe des Montag setzte sich das Psychodrama fort mit der Neuauszählung der Stimmzettel von rund 260 000 Parteimitgliedern und einer unaufhörlichen Lawine an Reaktionen, die von Erschütterung bis Hohn reichten. Während der frühere Regierungschef Jean-Pierre Raffarin zur "Dedramatisierung" aufrief, erklärte Ex-Premierminister Alain Juppé, selbst eine Zersplitterung der Partei sei möglich: "Wir sind in einer beklagenswerten Situation, die die UMP teilt und schwächt in einem Moment, wo wir eine besonders kämpferische und intelligente Opposition bräuchten." Im Kampf um die Nachfolge von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy als neue Führungsfigur der bürgerlich-konservativen Partei hatten Fillon und Copé einander monatelang bekämpft. Programmatisch unterscheiden sie sich kaum, wohl aber in Temperament und Strategie. Copé (48), der aggressiver, aber auch reaktiver wirkt, will wie schon Sarkozy durch einen Schwenk nach rechts bewusst Themen des rechtsextremen Front National besetzen, um diesen abzudrängen. Der zurückhaltendere Fillon (58) neigt eher dem Zentrum zu und profitiert von seinem staatsmännischen Image durch seine Erfahrung als Regierungschef. Der heimliche Gewinner könnte allerdings Nicolas Sarkozy sein: Laut Umfragen wünschen sich 64 Prozent der konservativen Wähler den Ex-Präsidenten zurück. Auch wenn der klargestellt hat, mit Politik fertig zu sein.

Meinung

Ein erbärmliches

Partei-Bild

Von SZ-KorrespondentinBirgit Holzer

Glaubte man sowohl Jean-François Copé als auch François Fillon wenige Stunden nach Schließung der Wahllokale am Sonntagabend, so gab es zwei Sieger der Urwahl des neuen Präsidenten der konservativen UMP. Tatsächlich aber kennt das Votum nur Verlierer, vielleicht mit Ausnahme derer, die gar nicht angetreten waren. Darunter Nicolas Sarkozy, der nun zusehen kann, wie sich die Partei, die er jahrelang relativ geeint hinter sich versammelt hatte, nach seinem Abgang zerfleischt. Selbst eine Spaltung ist nach dem Wahlkampf-Debakel möglich. Während Copé eine Radikalisierung bis zur Berührung mit dem rechtsnationalen Front National vorantreiben will, hatte sich Fillon als Übervater der diversen Strömungen angeboten.

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