Polizei in Hongkong greift durch

Hongkong · Mit Kettensägen zerlegt die Polizei Barrikaden, um Verkehrsadern zu öffnen, aber die Proteste für mehr Demokratie wollen noch nicht verstummen. Politische Gespräche sind nach mehr als zwei Wochen weiter nicht in Sicht. Wie lange reicht der Atem der Studenten noch?

Bei den Protesten für Demokratie in Hongkong hat die Polizei gestern in größerem Stil mehrere Barrikaden der Demonstranten weggeräumt. Die Aktivisten wollen aber nicht aufgeben. Politische Bemühungen zur Lösung der bislang größten Krise in der chinesischen Sonderverwaltungsregion waren nicht in Sicht. In der Volksrepublik China selbst sind nach Angaben von Bürgerrechtlern schon rund 60 Menschen wegen Sympathiebekundungen für den Ruf nach mehr Demokratie in Hongkong festgenommen oder verhört worden.

Die Proteste in der früheren britischen Kronkolonie, die seit 1997 als autonom regierte Sonderverwaltungsregion zu China gehört, dauern seit mehr als zwei Wochen an. Auslöser waren Beschlüsse Pekings, 2017 zwar erstmals eine direkte Wahl in Hongkong zu erlauben, den Wählern aber eine freie Nominierung der Kandidaten zu verweigern.

Bei der Festnahmewelle in China, mit der die Behörden eine Ausbreitung der Forderung nach Demokratie verhindern wollen, wurde in Peking auch eine Mitarbeiterin der Wochenzeitung "Die Zeit" festgesetzt. Seit zehn Tagen werde Miao Zhang der Zugang zu ihrem Anwalt verweigert, berichteten Bekannte. Sie war auf dem Weg zu einer Lesung zur Unterstützung der Hongkonger Demonstranten festgenommen worden. Besorgt hatte die Bundesregierung rasche Aufklärung gefordert. Das Außenministerium in Peking verteidigte das Vorgehen. Die 40-jährige habe "provoziert und Ärger gemacht", wie der Sprecher Hong Lei sagte. Auch sei sie nicht vorschriftsgemäß als Mitarbeiterin angemeldet gewesen. Die Behörden gingen rechtmäßig gegen sie vor, sagte der Sprecher.

Die "Zeit"-Korrespondentin Angela Köckritz wurde schon viermal über mehr als drei Stunden von der Polizei verhört. Ihr wurde mit dem Entzug ihrer Akkreditierung gedroht. Bei dem begrenzten Einsatz der Hongkonger Polizei am Morgen wurden am größten Protestort im Stadtviertel Admiralty auf der Insel Hongkong auf einer Spur der Verkehrsader Queensway die Zelte der Demonstranten auf Lastwagen geladen. In der Nacht errichtete Sperren aus Bambus und Holzpaletten wurden mit Kettensägen zerlegt und weggeschafft. Die Fahrspur nach Westen war damit erstmals wieder für den Verkehr frei.

Die Polizei-Aktion hatte zuvor mit der Räumung von Absperrungen im benachbarten Causeway Bay begonnen, um auch dort weitere Straßen für den Verkehr zu öffnen. Zu Auseinandersetzungen kam es nicht. Die Zahl der Demonstranten scheint aber langsam zurückzugehen. Während in Causeway Bay und im Geschäftsviertel Mong Kok auf der Halbinsel Kowloon über Nacht nur einige Dutzend Demonstranten campiert hatten, waren es in Admiralty noch einige Hundert.

Derweil machen die Protestgegner mobil, die hinter der Regierung und Peking stehen und sich über Behinderungen durch die Proteste beklagen. Am Vortag war es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen mit vermummten Protestgegnern und friedlichen Demonstranten gekommen. Es gab drei Festnahmen, wie die Polizei berichtete.

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