Türkei bombt wieder gegen PKK

Istanbul · Vor dem Hintergrund heftiger Kämpfe um die Kurdenstadt Kobane in Syrien bombardiert die türkische Luftwaffe PKK-Stellungen in der Türkei. Der Friedensprozess erfährt damit einen schweren Rückschlag.

Armee und PKK-Rebellen in der Türkei haben sich die ersten ernsthaften militärischen Auseinandersetzungen seit zwei Jahren geliefert: Soldaten gingen gegen PKK-Stellungen in Südostanatolien vor. Der Friedensprozess zwischen dem türkischen Staat und der PKK steht damit auf der Kippe. Dennoch signalisierte Ministerpräsident Ahmet Davutoglu eine harte Haltung gegenüber den jüngsten Kurdenprostesten und lehnte auch ein Eingreifen in der nordsyrischen Stadt Kobane erneut ab.

Der türkische Generalstab teilte gestern mit, PKK-Trupps hätten einen Stützpunkt in der Provinz Hakkari nahe der Grenzen zu Irak und Iran angegriffen. Die Armee habe das Feuer erwidert und die "Terroristen zum Schweigen gebracht". Nach türkischen Medienberichten und Angaben der PKK startete die Türkei auch Luftangriffe gegen die Rebellen in Hakkari, was von den türkischen Behörden aber zunächst nicht bestätigt wurde.

Die Tatsache, dass die Türkei ihre Armee im eigenen Land gegen die kurdische PKK einsetzt, Angriffe auf den "Islamischen Staat" (IS) zugunsten der kurdischen Verteidiger von Kobane jedoch ablehnt, dürfte die Kritik an Ankara weiter anfachen, kommentierte der in London lebende Türkei-Experte Ziya Meral auf Twitter . Möglicherweise habe die PKK die türkischen Militärschläge sogar provozieren wollen, um die Türkei "in die Ecke zu drängen", fügte Meral hinzu. Schon letzte Woche soll die PKK zwei Polizisten getötet haben.

Auch mit Blick auf Kobane will Davutoglu hart bleiben. Sein Land werde sich keinem ausländischen Druck beugen, sagte er. Entscheidungen über das türkische Vorgehen würden in Ankara gefällt, betonte er in Anspielung auf die Erklärung der US-Regierung , wonach die Türkei ihre Luftwaffenstützpunkte für Angriffe auf den IS bereitstellt. Davutoglu hatte dies dementieren lassen.

Meinung:

Ein komplettes Desaster

Von SZ-MitarbeiterinSusanne Güsten

Die Türkei greift Kurden im eigenen Land an - aber nicht den "Islamischen Staat" (IS) an ihrer Grenze mit Syrien : Die Außenwirkung der türkischen Haltung in der Kurden- und Syrienfrage wird für die Regierung in Ankara zum Desaster.

Teilweise ist dies eine Folge der überzogenen Forderungen und Erwartungen an die Türkei. Kritiker innerhalb und außerhalb des Landes verlangen, Ankara solle den kurdischen Verteidigern von Kobane beispringen und den IS aus der Stadt vertreiben. Die Türkei hat die wachsende Kritik aber auch sich selbst zuzuschreiben. Ankara könnte den Verteidigern der Stadt helfen, ohne eigene Truppen nach Kobane zu schicken, etwa durch Waffenlieferungen. Doch das kommt für die türkische Führung nicht in Frage. Sie zieht es aus lauter Sorge um eine Aufwertung der syrischen Kurden und der eigenen PKK-Rebellen vor, beim Drama vor der eigenen Haustür in Kobane nur zuzuschauen.

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