Familienurlaub trotz Flutkatastrophe Nach anhaltender Kritik: Familienministerin Anne Spiegel erklärt Rücktritt

Update · Anne Spiegel erklärt ihren Rücktritt als Bundesfamilienministerin. Das erklärte die Grünen-Politikerin am Montag ihrem Ministerium zufolge. Das sind die Worte der Ex-Ministerin.

 Familienministerin Anne Spiegel

Familienministerin Anne Spiegel

Foto: dpa/Annette Riedl

Bundesfamilienministerin Anne Spiegel ist zurückgetreten. In einem Statement des Familienministeriums wird die Grünen-Politikerin wie folgt zitiert: „Ich habe mich heute aufgrund des politischen Drucks entschieden, das Amt der Bundesfamilienministerin zur Verfügung zu stellen. Ich tue dies, um Schaden vom Amt abzuwenden, das vor großen politischen Herausforderungen steht.“ Von eigenen Fehlern ist in der Mitteilung keine Rede.

„Mein großer Dank gilt allen, die mich solidarisch unterstützt haben und besonders meinem Team in der Hausspitze“, heißt es weiter in ihrer Erklärung. „Den Mitarbeitenden des Ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wünsche ich von Herzen alles Gute und vor allem viel Erfolg für die Umsetzung der so wichtigen Themen.“

Die 41-Jährige scheidet damit rund vier Monate nach der Vereidigung der Bundesregierung aus dem Amt. Wer ihr Amt übernehmen wird, blieb zunächst offen. Die Grünen-Spitze will zeitnah einen Vorschlag zur Nachfolge machen. Das sagte Co-Parteichef Omid Nouripour am Montag in Husum. Mit Blick auf Spiegel sagte er, der Schritt, nun zurückzutreten, sei richtig - bei aller Härte und so schwierig die Entscheidung auch gewesen sei. Co-Parteichefin Ricarda Lang sagte, die Grünen-Spitze habe größten Respekt für den Mut und die Klarheit von Spiegel.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat seinen „großen Respekt“ geäußert. Der Kanzler habe mit Spiegel im Kabinett eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet, erklärte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Montag. „Er wünscht ihr nach dieser schweren Zeit für die Zukunft alles Gute.“ Scholz hatte zuvor noch über eine Regierungssprecherin mitteilen lassen, er arbeite „eng und vertrauensvoll“ mit Spiegel zusammen.

Urlaub nach Hochwasserkatastrophe

Spiegel war in die Kritik geraten, weil sie kurz nach der Hochwasserkatastrophe, von der neben Nordrhein-Westfalen auch Rheinland-Pfalz schwer getroffen wurde, mit ihrer Familie in einen vierwöchigen Urlaub fuhr. In einer persönlichen Erklärung begründete Spiegel dies mit ihrer damals schwierigen familiären Situation.

Ihr Mann hatte demnach 2019 einen Schlaganfall erlitten und seitdem Stress vermeiden müssen. Außerdem habe die Corona-Pandemie bei ihren vier Kindern Spuren hinterlassen. Gleichzeitig wurde Spiegel Spitzenkandidatin der Grünen im dortigen Landtagswahlkampf 2021. Im Januar 2021 übernahm sie zusätzlich zum Amt der Landesfamilienministerin das der Umweltministerin von Rheinland-Pfalz.

Dies sei ein Fehler gewesen, sagte Spiegel rückblickend. „Das hat uns als Familie über die Grenzen gebracht.“ Die Familie habe im Sommer 2021 Urlaub gebraucht.

Bundeskanzler Scholz stellte sich hinter Spiegel

Unions-Politiker und Vertreter der AfD hatten Spiegels Rücktritt oder ihre Entlassung gefordert. „Für Frau Spiegel waren Urlaub und das eigene Image wichtiger als das Schicksal der Menschen an der Ahr. Der Bundeskanzler muss sie entlassen“, hatte CDU-Chef Friedrich Merz am Sonntag der „Bild“-Zeitung gesagt. CSU-Generalsekretär Stephan Mayer sagte am Montag im Deutschlandfunk: „Ich glaube, auch wenn man Frau Spiegel gestern erlebt hat, ich glaube, sie tut sich selbst auch keinen Gefallen, wenn sie weiterhin darauf beharrt, im Amt zu bleiben.“

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) verwies in Wuppertal auf den Fall von NRW-Umweltministerin Heinen-Esser (CDU), die ihr Amt niedergelegt hatte, nachdem bekanntgeworden war, dass sie wenige Tage nach der Flutkatastrophe im Juli 2021 mit weiteren Regierungsmitgliedern auf Mallorca den Geburtstag ihres Ehemannes gefeiert hatte. „SPD und Grüne haben sich hier in Nordrhein-Westfalen in der letzten Woche moralisch sehr hoch aufgeschwungen und über Ursula Heinen-Esser gerichtet“, sagte Wüst. „Die müssen jetzt klarstellen, ob diese Ansprüche unabhängig vom Parteibuch gelten oder nur dem Wahlkampf geschuldet waren.“

Im rheinland-pfälzischen Landtag hatte die Opposition – CDU, Freie Wähler und AfD – Spiegels Rücktritt bereits seit ihrer Aussage im Landtags-Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe am 11. März in Mainz verlangt. Damals ging es noch nicht um den Frankreich-Urlaub. Spiegel war in die Kritik geraten, weil sie sich in einem Kurznachrichten-Wechsel mit ihren Mitarbeitern direkt nach der Hochwassernacht um ihr politisches Image gesorgt hatte.

Dazu hatte die Grünen-Politikerin im Untersuchungsausschuss des Landtags in Mainz gesagt, die Hilfe für die Betroffenen im Ahrtal sei für sie von höchster Bedeutung gewesen. „Es ist absolut falsch und ich weise entschieden zurück, dass ich irgendwann eine andere Priorität hatte.“

Bei der Flutkatastrophe Mitte Juli 2021 waren in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mehr als 180 Menschen ums Leben gekommen, davon 134 im Ahrtal. Rund 750 Menschen wurden in Rheinland-Pfalz verletzt und große Teile der Infrastruktur sowie Tausende Häuser zerstört. Viele Menschen leben noch immer in Not- oder Ausweichquartieren.

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