Merkel verteidigt die Energiewende

Berlin. Manchmal ist es gut, wenn man noch ein paar Akten dabei hat. Angela Merkel (Foto: dpa) bringt in den Bundestag nur ihre große Handtasche in Orange mit. Und die blaue Kanzlerinnenmappe mit ihrer Rede. Das führt dazu, dass sie zwischenzeitlich wie eine Wachsfigur in ihrem Stuhl sitzt, völlig ohne Regung

Berlin. Manchmal ist es gut, wenn man noch ein paar Akten dabei hat. Angela Merkel (Foto: dpa) bringt in den Bundestag nur ihre große Handtasche in Orange mit. Und die blaue Kanzlerinnenmappe mit ihrer Rede. Das führt dazu, dass sie zwischenzeitlich wie eine Wachsfigur in ihrem Stuhl sitzt, völlig ohne Regung. Und dass sie nicht so richtig weiß, wohin sie mit ihren Händen soll, als SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier über sie und ihre Atomwende hinwegwirbelt. Wenn man doch jetzt nur demonstrativ in Papieren blättern könnte, wie es Merkels Minister neben ihr machen! Die Kanzlerin hat sich aber anderes vorgenommen. Am Tag ihrer Regierungserklärung zum Atomausstieg straft sie die Opposition bewusst nicht mit völliger Missachtung. Sie sucht auch nicht die Konfrontation. Die (atom-)gewendete Kanzlerin lässt die Angriffe widerspruchslos über sich ergehen, um den erhofften Konsens mit der Opposition, der ihr nutzen soll, nicht zu gefährden.Außerdem hat sie geahnt, was an Häme auf sie einprasseln würde. "Falsches Pathos und Unaufrichtigkeit" wirft ihr Steinmeier vor. Dass sie sich jetzt als Erfinderin der Energiewende hinstelle, "zieht einem doch die Schuhe aus". Und Steinmeier erinnert daran, mit welchen "Hetzreden" die Union den rot-grünen Atomausstieg im Jahr 2000 begleitet habe.

Sie hätte es der Opposition auch schwerer machen können. Zum Beispiel mit einem Wort des Bedauerns, wie es Steinmeier einfordert, für den "Irrtum" im letzten Herbst, die Laufzeiten der Kernkraftwerke verlängert zu haben. Oder sie hätte Lob für die Anti-Atomkraftbewegung der letzten 30 Jahre aufbringen können, "bei denen hätten Sie sich heute vielleicht nicht entschuldigen, aber wenigstens bedanken sollen", stichelt der grüne Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin. Dafür freilich ist die Physikerin Merkel nicht nur zu rational, zu kühl. Sie weiß auch, dass in ihrer eigenen Fraktion viele Skeptiker sitzen, die mit der Energiewende hadern. Man merkt es im Bundestag daran, dass sich während der Rede der Kanzlerin die Unionsabgeordneten mitunter zum Applaus schleppen müssen.

All zu sehr anbiedern bei Roten und Grünen will sich die CDU-Chefin deshalb nicht, um die Nörgler nicht zu bestärken. Sie versucht stattdessen, zu erklären und zu besänftigen: Wer sich um Stromausfälle und Klimaschutzziele, höhere Kosten und Arbeitsplätze sorge, sei kein "Ideologe" oder "Spinner", wendet sich die Kanzlerin an die Kritiker im eigenen Lager. "Fukushima hat meine Haltung zur Atomenergie verändert", betont Merkel. "Ich habe eine neue Bewertung vorgenommen."

Herausgekommen sind in Windeseile acht Gesetze, ein Atomausstieg bis 2022 in Stufen und ein rascherer Ausbau der erneuerbaren Energien. Der Fraktionschef der Linken, Gregor Gysi, will schneller aussteigen und schimpft: "Elf Jahre weitere Risiken können wir uns nicht leisten." Und an Rot-Grün gerichtet: "Sie können auch nicht vor Fukushima stehen bleiben." Da ist etwas Wahres dran - so häufig SPD und Grüne auch auf ihren Atomkonsens verweisen, so selten wird über die Konsequenzen gesprochen, die man selbst aus Japan gezogen hätte.

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