Grübeln über GriechenlandKarlsruhe verhandelt über Rettungsschirm

Berlin. Der erste Tagesordnungspunkt der heutigen Plenarsitzung im Bundestag trägt einen eher harmlos anmutenden Titel: "Stabilität der Euro-Zone". Dahinter verbirgt sich freilich nichts Geringeres als ein neuer kostenträchtiger Anlauf zur Rettung Griechenlands

 Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat einen schweren Job: Erneut versucht er, die Abgeordneten von der Notwendigkeit der finanziellen Rettung Griechenlands zu überzeugen. Foto: dpa

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat einen schweren Job: Erneut versucht er, die Abgeordneten von der Notwendigkeit der finanziellen Rettung Griechenlands zu überzeugen. Foto: dpa

Berlin. Der erste Tagesordnungspunkt der heutigen Plenarsitzung im Bundestag trägt einen eher harmlos anmutenden Titel: "Stabilität der Euro-Zone". Dahinter verbirgt sich freilich nichts Geringeres als ein neuer kostenträchtiger Anlauf zur Rettung Griechenlands. In einer Regierungserklärung will Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Notwendigkeit dafür begründen und erneut um Zustimmung werben. Damit begonnen hatte der Kassenwart gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schon am Mittwochabend in getrennten Fraktionssondersitzungen von Union und FDP. Allein die Liberalen debattierten über das Thema beinah vier Stunden lang.Und auch gestern jagte eine interne Runde die andere, bevor die Parlamentarier der Regierungsparteien am Abend erneut zu Sondertreffen zusammen kamen. Viele Koalitionsabgeordnete fühlen sich nämlich schlicht überfahren. Erst im Vorjahr hatten die Euro-Länder für Athen ein Hilfspaket im Umfang von 110 Milliarden Euro geschnürt. Damit sollte es genug sein, lautete der Tenor damals. Nun hat Schäuble das Ruder radikal herumgerissen. "Wir stehen vor dem realen Risiko der ersten ungeordneten Staatsinsolvenz innerhalb der Euro-Zone", heißt es in einem Brief des Ministers an die Führung der Europäischen Zentralbank (EZB). Im Klartext: Ohne neue Kredite ist Athen pleite.

Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums sind von den 110 Milliarden Euro zwar erst 53 Milliarden abgeflossen. Davon trägt Deutschland gut acht Milliarden. Da Griechenland entgegen ursprünglichen Erwartungen aber absehbar viel zu klamm ist, um sich ab 2012 wieder selbst Geld am freien Kapitalmarkt zu borgen, braucht es Hilfe über das bestehende Hilfspaket hinaus. So argumentieren jedenfalls EU, EZB und Internationaler Währungsfonds, wenn es in ihrem aktuellen Bericht zu Griechenland heißt: "Die nächste Auszahlung kann nicht stattfinden, bevor das Problem dieser Unterfinanzierung nicht gelöst ist." Vor diesem Hintergrund hat Schäuble einen weiteren Finanzbedarf in Höhe von 90 Milliarden Euro ins Spiel gebracht. In diesem Umfang werden für Griechenland zwischen 2012 und 2014 Anleihen und Kredite fällig. Unklar ist jedoch einstweilen, inwieweit die anderen Euro-Länder dafür geradestehen müssten. Würden sich private Gläubiger an dem neuen Paket beteiligen, wäre die Belastung der Euro-Länder geringer.

Genau darauf setzt nun Schäuble. Nicht zuletzt deshalb, um die zahlreichen Skeptiker der Koalition ins Boot zu holen. Für die FDP, in der man sich besonders schwer mit der neuen Wendung tut, ist das auch das Mindeste: Ohne eine Beteiligung der Banken "wird's gar nichts geben", meinte gestern ihr Fraktionschef Rainer Brüderle. Doch der Teufel steckt im Detail. Denn die privaten Gläubiger können nicht einfach gezwungen werden, einer Laufzeitverlängerung für Kredite an Griechenland zuzustimmen. Das würde den Hellenen zumindest eine Atempause verschaffen, geht aber nur auf freiwilliger Basis. Auch deshalb brüteten die Koalitionsoberen gestern den ganzen Tag lang über die Formulierung eines schwarz-gelben Entschließungsantrages, der klare Kriterien für weitere Hilfen enthalten sollte. Formal gesehen ist er für die Regierung nicht bindend. Doch politisch würde sie damit zweifellos in die Pflicht genommen, entsprechende Forderungen auf internationaler Ebene durchzusetzen.

Über das Papier soll heute im Bundestag abgestimmt werden. Gäbe es mehr als 20 Nein-Sager im Regierungslager, hätte Merkel keine eigene Mehrheit in dieser Schlüsselfrage. Dabei drängt für Griechenland die Zeit. Bereits am übernächsten Montag wollen die EU-Finanzminister zu einer Entscheidung über neue Hilfszusagen an Athen kommen. Für Anfang Juli war eine weitere Finanzspritze aus dem 110-Milliarden-Paket geplant. Aber ohne das eine ist das andere nicht zu haben.Berlin. Das Bundesverfassungsgericht wird am 5. Juli über die Klagen gegen den Euro-Rettungsschirm sowie gegen die Griechenland-Hilfe mündlich verhandeln. Entsprechende Informationen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" bestätigte das Gericht gestern in Karlsruhe. Die Bundesregierung muss begründen, inwiefern die Maßnahmen zur Stabilisierung der europäischen Währung mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Die unterschiedlichen Klagen, darunter vom CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler sowie einer Gruppe von Professoren um den Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider, liegen seit vergangenem Jahr in Karlsruhe.

Unterdessen wurde bekannt, dass sich private Geschäftsbanken und Versicherungen in erheblich größerem Ausmaß als bisher bekannt von griechischen Staatsanleihen getrennt haben. Berichten zufolge halten die deutschen Versicherer nur noch 2,8 Milliarden Euro (Ende März) verglichen mit 5,8 Milliarden Euro vor einem Jahr. "Die Welt" beruft sich auf ein internes Papier des Finanzausschusses des Bundestages.

Das griechische Kabinett hat weitere Sparmaßnahmen und die Privatisierung von Staatsunternehmen beschlossen. Das neue Paket sieht Einsparungen im Umfang von 28,4 Milliarden Euro bis zum Jahr 2015 vor, wovon im laufenden Jahr bereits 6,4 Milliarden Euro verwirklicht werden sollen. dpa

"Ohne eine Beteiligung der Banken wird's gar nichts geben."

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle

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