Linkes Säbelrasseln in der SPD

Berlin · Was ist da los bei den Genossen? Außenminister Steinmeier kritisiert die Russland-Strategie der Nato, und Parteichef Gabriel stößt eine neue Debatte über ein Bündnis aus Rot-Rot-Grün an. Das kommt nicht überall gut an.

 SPD-Chef Gabriel bringt ein Bündnis der SPD mit den Linken ins Spiel. Foto: dpa

SPD-Chef Gabriel bringt ein Bündnis der SPD mit den Linken ins Spiel. Foto: dpa

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Eigentlich hatten sich die Genossen das anders gedacht - nach dem Wochenende. Im beschaulichen Kaltenkirchen, einem kleinen Städtchen nördlich von Hamburg, hatte Boss Sigmar Gabriel die Spitzen der Sozialdemokraten einbestellt - zu einem Strategie-Workshop. Doch einen Tag später spricht niemand über dieses Brain-Storming der SPD-Chefetage. Stattdessen sorgt ein Gastbeitrag Gabriels im neuen "Spiegel" bundesweit für Furore.

Wie schon in Artikeln zuvor warnt der Vizekanzler darin vor dem schleichenden Erstarken der Rechten und der AfD. Auch die Kanzlerin bekommt ihr Fett ab. "Mit Angela Merkels politischer Entkernung der CDU haben die Unionsparteien ihre Bindekraft für dieses Milieu verloren. Leider." Im letzten Absatz seines "Spiegel"-Aufsatzes formuliert Gabriel nun eine Botschaft, die das politische Berlin elektrisiert: "Die Mitte-Links-Parteien müssen sich besinnen, um ihren notorischen Missmut, ihre Eitelkeiten und Spaltungen zu überwinden. Deutschland braucht jetzt ein Bündnis aller progressiven Kräfte." Viel klarer kann man ein Signal für Rot-Rot-Grün kaum auf den Punkt bringen.

Wie es der Zufall will, fällt Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Sonntag mit ungewöhnlich harscher Kritik ("Lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul") an den jüngsten Nato-Manövern zur Abschreckung Russlands auf. Die Union klettert gleich zwei Mal auf den Baum: CDU-Mann Jens Spahn schimpft über Steinmeier ("Putin-Versteher"), CDU-Generalsekretär Peter Tauber über Gabriels CDU-Rechts-Exegese ("Das ist so dumm-dreist"). FDP-Chef Christian Lindner wittert die große linke SPD-Verschwörung, Bundespräsident Joachim Gauck stellt sich beim Rumänien-Besuch schützend vor Steinmeier. Die SPD hat alle in Wallung gebracht - was sie davon hat, bleibt fraglich.

Gabriel sieht die Lage naturgemäß völlig anders. Sein Aufruf sei von "einigen" falsch verstanden worden, sagte er gestern. Im Blick gehabt habe er nur den Kampf gegen Rechts, der als allerkleinster gemeinsamer Nenner in der SPD durchgeht, aber keine Koalitionsbündnisse. "Der Gegner steht Rechtsaußen." Wenn ihm Taktik unterstellt werde, zeige das nur, "wie unterschätzt die AfD wird". In seinem Text stehe nicht, dass SPD , Grüne und Linke einen gemeinsamen Präsidenten wählen oder die nächste Regierung bilden sollten oder Arbeitsgruppen mit der Linkspartei in Planung seien. 2013 habe sich die SPD per Parteitagsbeschluss der Linken ohnehin geöffnet: "Das ist absolut nichts Neues."

Bei den Linken stößt das mögliche Plädoyer von SPD-Chef Gabriel für ein Mitte-Links-Bündnis auf Skepsis. So kritisiert Dietmar Bartsch den von Gabriel angesprochenen Links-Ruck der SPD im Jahr 2013 als reinen "Schein-Schwenk". Denn die Sozialdemokraten hätten nach der Bundestagswahl "nicht einmal die vorhandene Option jenseits der Union geprüft", sagte der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, der "Saarbrücker Zeitung". Die Tür für eine rot-rot-grüne Koalition verschließen will Bartsch aber nicht. Bis zur Wahl bleibe reichlich Zeit, um seitens der SPD deutlich zu machen, dass es anders gehen könne. "Die Taten zählen."

Genauso spannend wie die Reaktion der Linken, die für die SPD programmatisch teils unerfüllbare Forderungen präsentieren, ist das zurückhaltende Echo bei den Grünen. "Wir sehen uns nicht als Bestandteil von Lagern oder Koalitionsmodellen", antwortet Parteichef Cem Özdemir vom Realo-Flügel. "Wir haben jetzt im Haus eine Exegese-Abteilung eingerichtet für die Interviews von Sigmar Gabriel ." Warum sollten sich die Grünen für 2017 auch schon jetzt festlegen?

Auch die SPD-Linken genießen Gabriels neue Töne mit Vorsicht. Sein jüngster Kursschwenk sei nicht mit Inhalten unterfüttert. Gabriel, der wahrscheinliche oder Vielleicht-doch-nicht-Kanzlerkandidat, könne sein Glaubwürdigkeitsproblem nicht mit einem Aufsatz beheben. Alarmierend sei, sagt jemand, dass engste Vertraute des Chefs plötzlich wie waschechte Linke reden würden.

Lesen sie das komplette Interview mit Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch im Internet unter www.saarbruecker-zeitung.de/berliner_buero

Meinung:

Eine reine Show-Debatte

Von SZ-Korrespondent Stefan Vetter

Miese Umfragewerte und ein Parteichef, der auch in den eigenen Reihen nicht gerade als Lichtgestalt gilt. Die Not ist groß bei der SPD . So groß, dass Sigmar Gabriel nun vehement für ein Mitte-Links-Bündnis kämpft. Ob er der Partei damit wirklich auf die Beine helfen kann, ist fraglich. Zweifellos hat die große Koalition den Sozialdemokraten kein Glück gebracht. Was immer die Genossen dort auch durchsetzen, verharren sie weiter im Schatten der Union. Vor diesem Hintergrund wäre es tatsächlich seltsam, sich weiter auf die Merkel-Partei als Koalitionspartner zu konzentrieren. Bleibt nach jetzigem Stand nur Rot-Rot-Grün als Option. Aber passt das politisch? SPD , Linke und Grüne haben sich auseinandergelebt. Die Grünen liebäugeln mit der Union. Auch die Linken haben sich verändert, seit Gregor Gysi Sahra Wagenknecht das Feld überließ. Rot-Rot-Grün ist derzeit also eine Phantom-Diskussion. Und daran ändert sich wohl auch bis Herbst 2017 wenig.

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