Vater Staat und seine Firmenerben

Berlin · Nicht mal ein Prozent macht die Erbschaftsteuer an den Gesamteinnahmen für den Fiskus aus. Hohe Freibeträge und großzügige Verschonungsregeln für Firmenerben sind der Grund. Daran wird sich auch künftig wenig ändern.

 Der Fiskus wird nach der Reform bei den Erben von Unternehmen etwas mehr als bisher die Hand aufhalten. Foto: Fotolia

Der Fiskus wird nach der Reform bei den Erben von Unternehmen etwas mehr als bisher die Hand aufhalten. Foto: Fotolia

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Das ganze Wochenende mussten die Steuerexperten und Juristen im Finanzministerium noch einmal alles hoch und runter rechnen sowie an letzten Gesetzesformulierungen feilen. Dann endlich konnten Finanzminister Wolfgang Schäuble und die beiden Parteichefs Sigmar Gabriel (SPD) und Horst Seehofer (CSU) nach einem letzten Telefonat am Vormittag die Einigung verkünden - aber nicht gemeinsam vor der Presse, sondern nur per Mitteilung.

Der nach eineinhalbjährigem Koalitionsgerangel mühsam ausgehandelte Kompromiss mag auf den ersten Blick banal wirken. Etwa das Detail, dass Kleinstbetriebe mit bis zu fünf Beschäftigten künftig von der Nachweispflicht befreit werden, um in den Genuss des Steuererlasses zu kommen. Schäuble hatte eine Bagatellgrenze von drei Mitarbeitern vorgeschlagen, CSU-Chef Horst Seehofer hatte auf fünf bestanden.

Natürlich geht es nicht nur um Klein-Klein. Seit 2014, als das Bundesverfassungsgericht eine Neuregelung bis Mitte 2016 verlangte, wird an den Begünstigungen für Firmenerben herumgedoktert. Begleitet von Warnungen wie: Der Mittelstand als Rückgrat der Wirtschaft werde zerschlagen (CDU-Wirtschaftsflügel), Familienbetriebe stünden vor dem Ausverkauf an "Heuschrecken", Deutschland werde ein anderes Land sein (Familienunternehmer), die "härteste Erbschaftsteuerreform in der Geschichte" grenze an Sozialismus (Markus Söder/CSU).

Es geht auch um Grundsätzliches: den Beitrag einer Erbengeneration für eine faire Lastenteilung. Es gab reichlich Missverständnisse. Niemand bezweifelt die besondere Bedeutung der Familienunternehmen, aber schon aus der Zeit vor Einführung der Verschonungsregeln 2009 ist kein Fall bekannt, dass ein Betrieb wegen der Erbschaftsteuer in Not geraten wäre. Und: Mit rund 5,9 Milliarden Euro steuert die Erbschaft- und Schenkungsteuer wohl auch in diesem Jahr nicht einmal ein Hundertstel zum gesamten Steueraufkommen des Staates bei.

Daran sollte sich nach dem Willen der Union nichts ändern. Ein moderates Steuerplus in den Länderkassen wird es geben, was die Sozialdemokraten freut. Grundsätzlich gilt aber weiterhin: Der Staat kann Firmenerben gegenüber anderen Erben weiter privilegieren, wenn sie das Unternehmen eine Zeit lang fortführen und Arbeitsplätze erhalten. Die Verfassungsrichter hielten die bisherigen Ausnahmen aber für überzogen. Was die schwarz-roten Koalitionäre mit "minimalinvasiven" Änderungen bereinigen wollten.

Es ging in dem Geschachere um viel Technik und Details. Künftig müssen Firmenerben nachweisen, dass sie die Erbschaft- oder Schenkungsteuer nicht verkraften, um vom Fiskus nicht belangt zu werden. Das eigentliche Betriebsvermögen soll geschont werden, stattdessen wird beim Erben oder Beschenkten per Bedürfnisprüfung genauer hingeschaut - auch auf dessen Privatvermögen. Der Koalition lief die Zeit davon, nachdem die CSU einen längst erzielten Kompromiss wieder ablehnte und auf Druck der Wirtschaft neue Forderungen nach großzügigeren Begünstigungen aufstellte. Nicht nur die SPD sah schon bisher die Grenze der Verfassungsmäßigkeit erreicht. Auch in der Union gab es Warnungen, die CSU und die Lobbyisten könnten überziehen und sich am Ende verzocken. Nun wird es ab einem Betriebsvermögen von 26 Millionen Euro je Erbfall jene vom Verfassungsgericht geforderte Bedürfnisprüfung geben. Das betrifft weniger als ein Prozent der Unternehmen. Die Wirtschaft spricht von potenziell etwa 10 000 Familienbetrieben. Diese eher kleine Zahl stehe aber für ein Drittel der Jobs und mehr als die Hälfte des Umsatzes aller Fa- milienbetriebe.

In der Vergangenheit wurden die Steuervergünstigungen jedenfalls kräftig genutzt. 2014 wurde laut Statistischem Bundesamt Vermögen im Wert von 108,8 Milliarden Euro vererbt oder geschenkt. Aufgrund von Freibeträgen und den Firmenprivilegien wurden davon nur 33,8 Milliarden Euro besteuert: Beim Fiskus gelandet seien letztlich 5,4 Milliarden.

Die künftigen Regeln zur Steuerbefreiung von Erben



Großvermögen: Ab Betriebsvermögen von 26 Millionen Euro je Erbfall gibt es eine Bedürfnisprüfung. Der Erbe muss nachweisen, dass ihn die Zahlung der Erbschaftsteuer überfordern würde. Lässt sich der Erbe auf die Prüfung ein, muss er sein Privatvermögen offenlegen. Dies kann dann zur Hälfte versteuert werden.

Stundung: Wird die Steuer aus dem Privatvermögen gezahlt, kann sie zehn Jahre lang zinslos gestundet werden.

Abschmelzmodell: Komplizierter wird es, wenn Vermögensgegenstände sowohl privat als auch in der Firma genutzt werden - wie zum Beispiel ein Auto. Das kann dann zum Privat- als auch zum Unternehmensvermögen gezählt werden. Zum Dritten gibt es das Betriebsvermögen . Das sind Gegenstände, die rein betrieblich genutzt werden - beispielsweise die Produktionsmaschinen, die eine Firma besitzt. Steigt künftig das Unternehmensvermögen, muss ein wachsender Teil des Betriebsvermögens versteuert werden - bis zum vollen Erbschaftsteuer-Satz. Dadurch soll verhindert werden, dass Gegenstände, die sowohl dem Privat- als auch dem Unternehmensvermögen zugeordnet werden können, plötzlich zum Betriebsvermögen werden. Das können teure Skulpturen oder Gemälde sein, die auf einmal nicht mehr die Wohnung des Unternehmers zieren, sondern sein Firmenbüro.

Familienunternehmen : Für Familienunternehmen mit Kapitalbindung beziehungsweise Verfügungsbeschränkung ist ein Steuerabschlag auf den Firmenwert von maximal 30 Prozent geplant. Das trifft auf Unternehmen zu, in denen der Erbe nicht frei über Gewinne oder Verkäufe entscheiden kann.

Verwaltungsvermögen: Hierzu zählen unter anderem verpachtete Grundstücke. Diese unterliegen künftig einer Erbschaftsteuer-Pauschale von zehn Prozent.

Zum Thema:Im Saarland wird die Einigung über die Erbschaftsteuer weitgehend begrüßt. Der Kompromiss "ist eine gute Basis, um die Arbeitsplätze in den übergebenden Unternehmen zu sichern", betont Richard Weber , Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) des Saarlandes. Für Handwerkskammer-Präsident Bernd Wegner ist es vor allem wichtig, dass Betriebe mit bis zu fünf Mitarbeitern nicht nachweisen müssen, dass sie Arbeitsplätze erhalten haben. Wolfgang Herges , Landesvorsitzender Saar des Verbands der Familienunternehmer, ist der Meinung, dass sich die Situation großer Familienunternehmen verschärft. Deren Eigenkapital-Basis werde durch die Reform geschwächt. Dadurch wachse die Gefahr, dass sie von ausländischen Investoren aufgekauft werden. low

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