Höcke-Anhänger feiern sich bei Jahrestreffen Das „Flügel“-Dilemma der AfD

Berlin · Die rechtskonservativen Höcke-Anhänger feiern sich bei ihrem Jahrestreffen als Speerspitze der Retter des Abendlandes. Parteichef Gauland mahnt zur Mäßigung.

 Der Gemäßigte warf das Handtuch: Helmut Seifen, bislang Landesvorsitzender der NRW-AfD, trat am Samstag zurück.

Der Gemäßigte warf das Handtuch: Helmut Seifen, bislang Landesvorsitzender der NRW-AfD, trat am Samstag zurück.

Foto: dpa/Swen Pförtner

„Ich bin nicht bereit, einen Quadratzentimeter dieses Landes aufzugeben. Das ist mein Land. Das ist unser Land. Und da steh’ ich drauf, oder ich liege drunter.“ Im Stammtisch-Ton geht es weiter. Andreas Kalbitz, der Landes- und Fraktionschef der AfD in Brandenburg, kommt gerade erst so richtig in Fahrt. Er appelliert an seine Gesinnungsgenossen vom Rechtsaußen-„Flügel“ der AfD, sich ganz und gar in den Dienst der gemeinsamen Sache zu stellen.

Vor 800 Parteifreunden und Gästen in der Mehrzweckhalle des thüringischen Ortes Leinefelde ruft Kalbitz auf zum „Widerstand“. Er warnt vor dem angeblich drohenden Verlust von Tradition, Heimat und Identität. „Mein abbezahltes Reihenhaus ist im Kalifat ganz genau gar nichts wert“, sagt Kalbitz.

Rassistische Attacken auf Zuwanderer oder Reizwörter wie „Bevölkerungsaustausch“, bei denen der Verfassungsschutz automatisch hellhörig wird, vermeiden die Redner. Der Grundtenor ist beim jährlichen „Kyffhäusertreffen“ des „Flügels“ jedoch ähnlich wie in den Jahren zuvor: Zuwanderung ist bedrohlich, Integration unmöglich bis unerwünscht, die von Windrädern verschandelte Heimat in Gefahr. Die sprachlichen Verrenkungen sind jetzt, wo der Verfassungsschutz den „Flügel“ als rechtsextremistischen „Verdachtsfall“ eingestuft hat, angestrengter. Der Thüringer AfD-Landeschef und „Flügel“-Gründer Björn Höcke wartet in seiner viel beklatschten Rede mit der These „Identität erzeugt Solidarität“ auf. Dann verliert er sich in einem Satz-Ungetüm. Er spricht von einem Menschen, den man „als gleich geartet identifiziert, erlebt, mit ihm im Austausch ist, mit ihm gemeinsame Verantwortungsräume gestaltet, im Ort, in den Kommunen, indem man merkt, man kann Vertrauen zu dem anderen schöpfen“.

Parteichef Jörg Meuthen ist diesmal nicht zum „Flügel“-Treffen gepilgert. Er war zuletzt etwas auf Distanz zur Vereinigung gegangen, die zwar keine formale Mitgliedschaft kennt, aber in vielen Landesverbänden starke Seilschaften hat. Vor allem in den beiden größten Landesverbänden Bayern und Nordrhein-Westfalen liefern sich die „Flügler“ und diejenigen, die sich selbst als gemäßigt bezeichnen, erbitterte Machtkämpfe. In NRW kam es jetzt zum Eklat: Auf einem Parteitag in Warburg trat der als gemäßigt geltende Co-Vorsitzende Helmut Seifen am Samstag gemeinsam mit einem Großteil des zwölfköpfigen Landesvorstandes zurück.

AfD-Co-Chef Alexander Gauland sieht durch die Entgleisungen einiger Rechtsausleger sein Ziel in Gefahr, die AfD zu einer neuen Heimat für enttäuschte Rechtskonservative zu machen. Wie ein wohlmeinender Onkel redet der 78-Jährige den „Flügel“-Anhängern in Leinefelde ins Gewissen. Er sagt, die AfD sei zur Zeit „praktisch in der Pubertät“. Teenager provozieren gerne, testen ständig Grenzen aus. Das könnte Wähler abschrecken. „Die Lage ist zu ernst, und wir können keine Zeit mehr vertrödeln beim Erwachsenwerden“, mahnt Gauland. Bisher gilt: Wer sich mit dem „Flügel“ anlegt, hat es bei parteiinternen Wahlen oft schwer. Das musste auch der Berliner AfD-Landeschef Georg Pazderski erleben, als er 2017 vergeblich für das Amt des zweiten Parteivorsitzenden kandidierte.

Der „Flügel“ ist einer der Gründe dafür, dass andere Parteien eine Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch ausschließen. Die CDU-Spitze hat mit Blick auf die im Herbst anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen betont, eine Zusammenarbeit mit der AfD sei ausgeschlossen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort